Die salzige Süße der Normandie: Caramel au beurre salé

Süßsalzig und goldgelb – Karamellbonbons aus der Normandie locken im Regal französischer Feinkostläden und sind in ihren Spanschächtelchen das perfekte süße Mitbringsel aus dem Urlaub. Lebensmittelmagazin.de war dort, wo die Plombenzieher herkommen.

Es gibt tatsächlich Menschen, die kein Salzkaramell mögen. Dabei hebt schon ein Hauch Salz im Abgang den Crêpe mit Karamellsoße aufs nächste Level – und macht die Karamelleiskugel einfach unwiderstehlich. 

Im Wechselbad der sensorischen Eindrücke

Salz im Karamell ist mehr als ein Gegengewicht zur Süße: Auf molekularer Ebene blockiert Natriumchlorid bestimmte Bitterrezeptoren und lässt die karamellisierte Zuckerbasis klarer und runder im Geschmack wirken. Gleichzeitig hebt Salz die komplexen Röstaromen, die bei der Maillard-Reaktion entstehen, extra hervor – von buttrig-vanilligen bis hin zu nussigen Nuancen. Das Wechselspiel von süß und salzig reizt verschiedene Geschmackssinne fast gleichzeitig, sorgt für sensorische Spannung und verstärkt das cremige Mundgefühl durch erhöhten Speichelfluss, was Salzkaramell so unwiderstehlich macht.

Karamellbonbons im Shop von Isigny Sainte-Mère
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Immer an der frischen Luft

An der normannischen Küste liegt das Werk der Genossenschaft Isigny Sainte-Mère, über Landesgrenzen hinaus bekannt für ihre Karamellbonbons mit gesalzener Butter; in runden Spanschächtelchen, die man mit Camembert verwechseln könnte. Die Milch für die verwendete Butter und Sahne stammt von über 600 Höfen innerhalb eines Radius von rund 50 Kilometern. Die Kühe, vor allem die der Rasse „Normanne“, grasen viele Monate im Jahr auf den salzhaltigen Weiden der sogenannten „Marais“, einem von Flüssen und Sümpfen durchzogenen Feuchtgebiet. Das feuchte Küstenklima und die mineralreichen Böden prägen seit dem 16. Jahrhundert die Vieh- und Milchwirtschaft der Region. Diese besonderen Bedingungen geben Milch, Butter und Crème fraîche aus Isigny ihren charakteristischen Geschmack, der heute durch die EU-geschützte Ursprungsbezeichnung AOP (Appellation d’Origine Protégée) geschützt ist.

Kühe auf der Weide bei Isigny Sainte-Mère
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Der kleine Hafen von Isigny-sur-Mer war einst ein bedeutender Umschlagplatz: Von hier aus verließen Butter- und Sahnefässer die Normandie in Richtung Paris, England und später sogar Übersee. Die günstige Lage an der Mündung der Vire machte den Ort zu einem Knotenpunkt für den Handel mit Milchprodukten – und legte durch das Prestige der Molkereiprodukte über die Jahrhunderte hinweg das Fundament für den späteren Ruhm der Caramels d’Isigny.

Eigentlich eine bretonische Erfindung

Die Genossenschaft wurde 1932 gegründet und bereits zu dieser Zeit entstanden erste Karamellbonbons und ähnliche Süßwaren unter dem Namen „Isicrem” – allerdings noch ohne Salznote. Grund hierfür war die Wirtschaftskrise seit dem Ende der Zwanziger Jahre. Die Milchbauern und Produzenten blieben auf ihrer Ware sitzen, was die haltbare Alternative von Nöten machte.

Während in der benachbarten Bretagne gesalzene Butter durch die Meersalzgärten von Guérande seit Jahrhunderten üblich war, blieb die normannische Butter traditionell ungesalzen, schlicht weil Salz hier teuer war. Das Salzkaramell, wie wir es heute kennen, ist eine vergleichsweise junge Erfindung: 1977 brachte der bretonische Chocolatier Henri Le Roux in Quiberon das erste „Caramel au beurre salé“ auf den Markt – ein Bonbon, das binnen weniger Jahre Kultstatus erlangte. Von der Bretagne aus verbreitete sich die Spezialität in den 1980er und 1990er Jahren landesweit. In Isigny griff man diese Idee nach der Neugründung der Manufaktur im Jahr 1994 auf – allerdings auf die normannische Art: Hier kommen ausschließlich die AOP-geschützte Butter und Crème aus der Region zum Einsatz, wodurch das Salzkaramell seine Qualität erhält.

Die Herstellung, die man in Isigny sur Mer durch Glasscheiben anschauen kann, folgt noch heute traditionellem Handwerk: Zucker und Glukosesirup, der die Kristallisation verhindert, werden in Kupferkesseln bei etwa 120 °C erhitzt, bis die Masse karamellisiert. Dann werden Butter, Crème und das Fleur de Sel de Guérande hinzugefügt. Nach dem Abkühlen wird das Karamell zwischen Walzen geknetet, geschnitten und verpackt. Jährlich entstehen so rund 15 Millionen Karamellbonbons, wofür über 40 Tonnen Sahne und Butter sowie 145 Tonnen Zucker benötigt werden.

Besucherinnen und Besucher haben die Möglichkeit, sich vor Ort in der Boutique neben der gläsernen Manufaktur nicht nur mit Karamellbonbons einzudecken. So gibt es auch Karamellsoße, süßsalzig karamellisiertes Popcorn und bei hohen Temperaturen im Sommer natürlich auch Eiscreme aus Caramel au beurre salé. 

Eiscreme aus Karamell
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert