Ob als Begleiter zum Heilwasser oder Souvenir von der Kur, die Karlsbader Oblate gehört zu Karlovy Vary wie die Quellen selbst, deren Wasser die Kurwaffel erst zur Karlsbader Oblate machen. Lebensmittelmagazin.de knuspert.
Wer an einem Vormittag durch die Kolonnaden von Karlovy Vary in der Tschechischen Republik läuft, riecht den warmen Duft noch bevor er die Auslagen sieht. Ein Geruch von Karamell, Nuss und Butter hängt in der Luft und mischt sich in die Heilwasserschwaden. Der süße Duft kommt aus den zahlreichen Geschäften, in denen die Karlsbader Oblaten frisch aufgebacken werden.

Foto: Johannes S.
Für viele Kurgäste fungieren sie seit Jahrhunderten als angenehme Grundlage, bevor man mit dem Trinken der warmen Quellen beginnt – sie beruhigen den Magen, liefern etwas Substanz und mildern die oft ungewohnte Geschmackserfahrung des heilenden, aber deutlich mineralischen Wassers. Karlsbader Oblaten sind in Karlovy Vary so omnipräsent wie die Trinkbecher aus Porzellan und die Quellen selbst.
Von frühen Kurwaffeln zur Spezialität der Stadt
Die Ursprünge der Karlsbader Oblaten lassen sich bis in das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Mit dem Aufstieg Karlsbads zu einem international bekannten Kurort entstanden hier gebackene, dünne Teigplatten, die den Kurgästen als milder und leicht süßer Begleiter beim Trinken der Heilwässer dienten. Die bis heute gebräuchliche Form und Herstellungsweise etablierte sich im 19. Jahrhundert, als kleine Familienbetriebe begannen, das Gebäck systematisch zu fertigen und zu verkaufen.
Eine zentrale Rolle spielt dabei Barbara Bayer, geboren 1827 in Lubenz (heute Lubenec, Westböhmen), die nach Karlsbad zog und 1867 die erste gewerbliche Oblatenbäckerei eröffnete. Unter ihrer Leitung etablierte sich die Herstellung der Doppeloblate als Standardprodukt und legte den Grundstein für die heutige Tradition. Von da an gehörten die dünnen, gefüllten Oblaten fest zum Kuralltag – so selbstverständlich, dass sich im Sprachgebrauch der Zeit auch der volkstümliche Begriff „Kurwaffel“ hielt.
Ein Gebäck mit prominenten Fans
Im 19. Jahrhundert erreichten die Oblaten endgültig den Status eines kulinarischen Wahrzeichens. Karlovy Vary war zu dieser Zeit einer der berühmtesten Kurorte Europas, ein Treffpunkt für Adelige, Diplomaten, Künstler und Schriftsteller. Dass auch historische Persönlichkeiten wie Zar Peter der Große, Wolfgang Amadeus Mozart, Friedrich Schiller oder Johann Wolfgang von Goethe die Oblaten gekostet haben, verwundert nicht. Wer sich in der Stadt aufhielt, begegnete ihnen zwangsläufig. Sie gehörten zum Tageslauf wie die Trinkvorschriften des Badearztes oder die Spaziergänge zwischen den Kolonnaden, süß, aber nicht schwer.
Produktion zwischen Handwerk und Sichtbarkeit
Was früher in Küchen von Kurpensionshäusern und Backstuben hinter Schaufenstern entstand, wird heute in spezialisierten Betrieben hergestellt, deren Produktionsweise sich in wesentlichen Zügen seit dem 19. Jahrhundert kaum verändert hat. Die klassische Karlsbader Oblate besteht aus wenigen, sorgfältig ausgewählten Zutaten: Mehl, Butter, Zucker, Milch, Nüsse oder Kakao und – typisch für die Region – Thermalwasser aus Karlovy Vary, das einen Teil der Flüssigkeit im Teig ersetzt. Dieses Mineralwasser verleiht der Oblate eine dezente, leicht würzige Note und macht sie unverwechselbar. Der Teig wird dünn ausgerollt, zwischen zwei Platten ausgebacken und anschließend gefüllt. Die feinen Ornamente auf den Platten sind seit dem 19. Jahrhundert weitgehend unverändert und dokumentieren die handwerkliche Tradition. Die Füllung besteht klassisch aus Zucker, Mandeln oder Haselnuss, heute zunehmend auch mit Variationen wie Kakao, Vanille oder moderneren Geschmacksrichtungen wie Dubai-Schokolade.
In vielen Schaufenstern der Waffelgeschäfte von Karlovarske Oplatky sehen die Besucherinnen und Besucher oft karussellförmig angeordnete Waffeleisen, in denen die vorgebackenen Oblaten für den spontanen Verzehr nochmal im Eisen aufgebacken werden, bis sie extra knusprig sind und duften.

Foto: Johannes S.
Herkunft schützen – aber mit Maß
Dass Karlsbader Oblaten heute mit einem geschützten geografischen Hinweis vertrieben werden, ist ein Ergebnis ihrer gewachsenen regionalen Identität. Name und Produkt sind geschützt – allerdings nicht als EU-geschützte geografische Angabe, sondern als nationale Herkunftsbezeichnung Tschechiens. Nur Hersteller aus Karlovy Vary dürfen ihre Produkte unter dieser Bezeichnung vertreiben. Entsprechend streng reagieren Unternehmen und Behörden, wenn Motive oder Bezeichnungen verwendet werden, die eine Karlsbader Herkunft suggerieren, aber in Wirklichkeit aus anderen Regionen stammen. Vor einigen Jahren kam es zu einem vielbeachteten Rechtsstreit, weil ein Hersteller aus Luhačovice Oblaten mit Karlsbader Motiven verzierte und damit aus Sicht der Karlsbader Produzenten die Herkunft verwässerte. Der Fall führte dazu, dass die Rechtssicherheit weiter geschärft wurde: Karlsbad darf draufstehen, wenn Karlsbad drin ist, andernfalls muss eine eindeutige Kennzeichnung erfolgen.
