Wie kommt das Öl in die Kapsel?

Fischölkapseln sind eine Möglichkeit, wertvolle Omega-3-Fettsäuren aufzunehmen, die der Körper nicht in ausreichender Menge selbst herstellen kann. Doch wie kommt das Öl eigentlich in die Kapsel? Lebensmittelmagazin.de hat die Produktion bei Sirio Pharma Germany in Pritzwalk genauer unter die Lupe genommen.

Viele Ältere erinnern sich vielleicht noch an den täglichen Löffel Lebertran – für die Gesundheit gut, aber geschmacklich eher eine Herausforderung mit dem tranig-bitteren Aroma. Krillöl, das vor einiger Zeit gehypt wurde, gilt bei vielen sogar als noch unangenehmer. Im Vergleich dazu ist das gereinigte Fischöl, das für die Herstellung von Omega-3-Kapseln verwendet wird, relativ neutral. Bei der Verkostung merkt man einen leichten Nachgeschmack, der an Sardinen aus der Dose erinnert. Im Gespräch mit Dr. Bettina Priewe, Head of Quality bei Sirio, wird erklärt, dass ein unangenehm fischiger Geruch von Fischölkonzentraten meist im Zusammenhang mit einer Oxidation des Öls steht.

Sirio legt großen Wert auf Innovation, weshalb am Standort in Pritzwalk Tests zur Weiterentwicklung der „einfachen“ Weichkapsel (Softgels) erfolgen. Dazu gehört zum Beispiel Kapseln, die sich erst im Darm öffnen und damit ein unangenehmes Aufstoßen verhindern können.

Warum überhaupt Fischöl?

Fischöl gehört zu den bekanntesten Lieferanten von Omega-3-Fettsäuren. Es wird aus verschiedenen Fischarten gewonnen und enthält vor allem die wertvollen Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure). Diese mehrfach ungesättigten Fettsäuren können zwar aus der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (ALA) vom Körper gebildet werden, allerdings ist die Umwandlungsrate von ALA in EPA und DHA sehr gering. Daher ist die Zufuhr von EPA und DHA über die Ernährung besonders wichtig. Omega-3-Fettsäuren sind wichtig für die Funktion des Gehirns, des Herzens und der Augen. Neben tierischen Quellen wie Fischöl steht mit Mikroalgenöl eine rein pflanzliche Alternative zur Verfügung. 

Ölkapseln in ihrer typischen Gelatineform
Foto: Sirio Pharma

Fisch und Gelatine für die Kapseln

Die Fischöle sowie Gelatine von Rind, Schwein und Fisch lagern bei Sirio in Pritzwalk in einem speziell isolierten Lagerhaus, sodass über das gesamte Jahr eine durchschnittliche Temperatur von 18°C gewährleistet wird. Das Fischöl wird in dicht verschlossenen Fässern gelagert. Spezielle Entnahmetechniken sorgen dafür, dass kein Sauerstoff eindringt. Zusätzlich wird Schutzgas wie das nachweislich unbedenkliche Argon eingesetzt, um Oxidation zu verhindern. Gelatine ist ein zentraler Bestandteil der Softgels, wird aber weltweit unterschiedlich nachgefragt. So liefert Sirio beispielsweise Halal-Produkte, also ohne Verwendung von Schweinegelatine, für den arabischen Raum oder die rinderfreie Variante auf den indischen Subkontinent. Gleichzeitig gibt es inzwischen pflanzliche Alternativen, wie vegetarische oder vegane Gelatine, die dieselbe Schutzfunktion erfüllen.

Sirio bezieht seine Omega-3-Öle ausschließlich von zertifizierten Lieferanten, die u.a. strenge Nachhaltigkeitsstandards wie Friend of the Sea (ein internationales Programm zur Zertifizierung nachhaltiger Fischerei und Aquakultur) oder das MSC-Siegel (Marine Stewardship Council, weltweit anerkanntes Gütesiegel für nachhaltige Fischerei) erfüllen. 

Mit sanftem Druck

Damit das Öl in die Kapsel gelangt, wird die Gelatine auf achtzig bis fünfundachtzig Grad Celsius erhitzt, bis sie flüssig ist. Sie wird zu zwei Bändern abgekühlt und in die sogenannte Rotary-Die-Maschine eingezogen. Unter sanfter Wärme und Druck werden die Bänder durch zwei Rollen mit kleinen Ausbuchtungen so zusammengepresst, dass nacheinander einzelne Kapseln geformt werden, während gleichzeitig das flüssige Öl präzise in die entstehenden Kapseln injiziert wird. Anschließend werden die Kapseln luftdicht verschlossen.

Vom Trocknungstunnel ins Lager 

Die frischen Softgels werden in zehn Meter langen Trocknungstunneln weiterverarbeitet, die wie aneinandergereihte Wäschetrockner funktionieren. 

In Trommeln werden die Kapseln zunächst auf etwa fünfzig Prozent Restfeuchtigkeit getrocknet. Die Trommeln drehen sich im Uhrzeigersinn, bevor die Kapseln nach dem Schneckenprinzip gegen den Uhrzeigersinn herausbefördert werden. Anschließend werden sie so auf Tablett aufgelegt, dass sie sich nicht berühren. Die weitere Trocknung erfolgt in einem zweiten Trockenraum. Dort härten sie bei einer Luftfeuchtigkeit von vierzehn bis vierundzwanzig Prozent aus, bis sie ihre endgültige Festigkeit erreicht haben. Anschließend werden die Kapseln manuell überprüft, bevor sie abgepackt werden. Sollten beispielsweise falsche Größen dabei sein, werden diese Kapseln aussortiert.

Produktion fast ohne Pause

Die Herstellung läuft rund um die Uhr, fast das ganze Jahr über. Lediglich zweimal jährlich – etwa über die Weihnachtsfeiertage – wird für Wartungs- und Installationsarbeiten pausiert. Jährlich entstehen so rund zwei Milliarden Kapseln. Am Standort in Pritzwalk sind rund 220 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, die u.a. in Produktion, Qualitätssicherung, Qualitätskontrolle, Logistik und Verwaltung tätig sind.

Warum Softgels so beliebt sind

Softgels, also Weichgelatinekapseln, haben sich aus gutem Grund als Standard durchgesetzt. Sie schließen Geschmack und Geruch zuverlässig ein, sodass der oft gefürchtete „Fischgeschmack“ kaum wahrnehmbar ist. Jede Kapsel enthält eine exakt definierte Menge an Inhaltsstoffen, wodurch die Dosierung besonders einfach fällt. Die glatte, flexible Oberfläche erleichtert das Schlucken, und es gibt mittlerweile sogar kaubare Varianten. Zudem lösen Softgels sich im Magen gut auf. Sie schützen aber nicht nur die Sinne, sondern auch die Inhaltsstoffe. Die Hülle bewahrt das empfindliche Öl vor Licht, Sauerstoff und Feuchtigkeit und verlängert so Haltbarkeit, Stabilität und Qualität.

Historie und Standort

Die Fabrik von Sirio Pharma Germany hat übrigens eine ungewöhnliche Geschichte: 1992 gegründet, war sie ursprünglich für Paintball-Geschosse und Badeperlen gedacht. Die Nachfrage blieb aus – nicht zuletzt wegen der pazifistischen Grundstimmung nach dem Kalten Krieg. Da stellte das damalige Unternehmen auf Kapseln um. „Dass wir heute besonders symmetrische und gleichmäßig geformte Produkte herstellen können, hängt auch mit diesem technologischen Ursprung zusammen“, erklärt Dr. Priewe. Natürlich musste zuvor die Erlaubnis zur Herstellung von Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln beantragt und bewilligt werden – denn nur, wenn nachweislich alle erforderlichen Qualitäts- und Sicherheitsstandards eingehalten werden, ist in Deutschland die Herstellung und der Verkauf von Kapseln für den Arzneimittel- und Lebensmittelmarkt erlaubt.

Luftaufnahme der Fabrik von Sirio
Foto: Sirio Pharma

Zwischenzeitlich gehörte das Werk amerikanischen und norwegischen Eigentümern. Seit 2016 ist es Teil des chinesischen Unternehmens Sirio Pharma Co. Ltd. Der Standort in Pritzwalk ist strategisch günstig: Mit Autobahnnähe sind Hamburg und Berlin schnell erreichbar. Vor allem aber gilt „Made in Germany“ im asiatischen Raum als Qualitätssiegel. „Deutsche Produkte werden auch in Asien besonders geschätzt – deshalb ist unser Standort hier für das Unternehmen enorm wertvoll“, betont Dr. Priewe.

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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