Brezen, aber bitte ohne “L”

Formschön, gebräunt mit Ärmchen und Bauch und bitte nicht mit dem Schwäbischen Zwilling verwechseln – die Brezen. Lebensmittelmagazin.de war in der Bayerischen Landeshauptstadt beim Brezen-Bäcker. 

„Das heißt BREZN! OHNE L!”, lautet mitten in München die resolute Zurechtweisung einer Bürgerin auf die Information, über bayerische Brezeln zu schreiben; es sollte nicht der einzige feine Unterschied zwischen der bayerischen Brezen und dem schwäbischen Pendant bleiben.

Nicht nur zur Wiesnzeit

Ob im Kinderwagen unterwegs zum Mümmeln oder zur Brotzeit im Biergarten, Brezeln erfreuen sich ihrer Beliebtheit bei Groß und Klein, vor allem an Orten wie hier in München.

Für das Traditionsunternehmen Rischart, das seit 1883 in Familienhand besteht, ist sie Herzstück und Aushängeschild zugleich. Rund viertausend „Brezen“ verlassen täglich die Backstube auf der Theresienhöhe, von wo aus alle zwanzig Filialen im Großraum München fünfmal täglich beliefert werden.

Brezn von Rischart und andere Backwaren
Foto: Johannes S.

Vom Dach des Hauptsitzes der Bäckerei Rischart hat man einen traumhaften Blick über die Wiesn bis hin zum firmeneigenen Zelt „Cafe Kaiserschmarrn“.  Die Firma gehört zu den traditionsreichen Bäckereien von München von 1883. Seit diesem Jahr liegt der Hauptproduktionsstandort und Firmensitz in einem der modernsten und prozessoptimierten Manufakturgebäuden mit viel Glas, Grün und natürlich Photovoltaik und Wärmerückgewinnung, mit der unter anderem das hauseigene Hotel erwärmt wird. Auch wenn das Bäckerhandwerk gegenüber dem Konditoreihandwerk nicht ganz so beliebt (wer steht schon gerne zu solch unchristlichen Uhrzeiten auf), so gilt die Firma Rischart als hervorragende Visitenkarte für die Auszubildenden, findet Herr Wiedermann aus der Produktionverwaltung, gerade sind es 15 in der Produktion und 27 im Verkauf.

Ansicht auf das Gebäude von Rischard mit Photovoltaik
Ausblick auf das Gebäude von Rischard und die Photovoltaik-Module
Foto: Johannes S.

Früh bäckt sich

Die Arbeit beginnt früh, um zwei Uhr morgens werden die Öfen angeworfen, die aufgrund ihres Volumens lange zum Vorheizen brauchen. Der eigentliche Produktionsprozess beginnt mit dem Verkneten von Brezelteig, einem Hefeteig, dem unter anderem Eis zugesetzt wird. „So halten wir die Temperatur niedrig, und die Hefe entwickelt sich langsamer“. Das sorgt für eine gleichmäßige Teigstruktur und ein feines Aroma.  Auch er wird kalt geführt, was über anderem den Geschmack verbessert. Hinzu kommt neben Vorteig noch Backmalz in Form von sogenannter Breznpaste, das den Hefen zusätzliche Nahrung bietet, die Triebkraft unterstützt und für eine kräftigere Bräunung sorgt. Eine zentrale Rolle spielt das Salz. „Für die backtechnologischen Eigenschaften eines Hefeteigs reichen 0,5 Prozent Salz pro Kilogramm Mehl völlig aus“, erläutert Christoph Wiedermann. „Bei der Brezen gehen wir auf rund zwei Prozent, das ist geschmacklich wichtig und sorgt für den typischen kräftigen Charakter.“

Hefeteig mit Zugabe von Eis und Breznpaste
Foto: Johannes S.

Vor dem Backen werden Brezeln mit grobkörnigem Speisesalz bestreut. Wiedermann zwinkert: „Früher haben Bäckereien für Brezen dasselbe Salz verwendet wie zum Streuen im Winter.“ Im Gegensatz zum schwäbischen Zwilling enthalten Bayerische Brezen etwa drei Prozent Fett, der Brezel-Fettgehalt in Schwaben liegt je nach Rezept bei drei bis zehn Prozent. Außerdem setzen die Bäcker dort traditionell einen Schnitt über den Brezelbauch, während bei der Bayerischen Brezen der helle Bauch nicht durch einen Schnitt, sondern durch den natürlichen Aufriss beim Backen entsteht. Rischart bezieht alle seine Rohstoffe regional, von Mehl über Hefe bis zum Malz. Alle Produkte sind rückverfolgbar: Die Brezen werden wie alle Produkte von Rischart in Kisten mit QR-Code „verheiratet“, um eine Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten.

Sieht einfach aus, aber…

Blick auf die Maschine die den Teig portioniert
Foto: Johannes S.

Sind die Teige vorbereitet, werden sie maschinell in Portionen von jeweils neunzig Gramm geteilt und zu Strängen gerollt. Dann kommt die Handarbeit ins Spiel: Das Schlingen der Brezeln erfolgt bei Rischart per Hand, um die typische Form zu erreichen: „Am besten lernt man das am Brezentisch“, ruft Backstubenleiter Martin über die Schulter. „Ab fünfundzwanzigtausend Brezen hat man wirklich gelernt, Brezen zu schlingen.“ Beim Schlingen hält man den Teigstrang zunächst u-förmig, verdreht ihn dann mit einem leichten Drall und wirft ihn mit einem sanften Schwung nach vorne, sodass die Enden schließlich am Bauch des Us abgelegt werden. Jede Brezel fällt trotz präziser Ausführung ein wenig individuell aus – mal etwas runder, mal etwas in die Länge gezogen oder hie und da eine kleine Unwucht. Das ist kein Qualitätsmangel, sondern ein Zeichen für echte Handarbeit und macht jede Brezel einzigartig.

Schlingen der Brezen
Foto: Max Rischart’s Backhaus KG

Köstliches aus dem Putzeimer

Die Technik, Brezeln nicht wie früher üblich in Zuckerwasser zu tauchen, sondern in Natronlauge, geht auf Johannes Eilles 1839 zurück. Überliefert ist eine Anekdote: Entweder fiel die Brezel versehentlich ins Ofenputzwasser, oder Eilles verwechselte Zucker mit Natron. Auf jeden Fall beruhte die Methode auf einem Irrtum, der sich glücklicherweise als Glücksfall herausstellte: Die Lauge sorgt beim Backen für die charakteristische goldbraune, glänzende Kruste und den unverwechselbaren Geschmack, der bis heute Standard im Handwerk ist.

Vorbereiten der Brezn für den Ofen
Foto: Max Rischart’s Backhaus KG

Die Teiglinge werden eingefroren, sodass sie über den Tag sukzessive gebacken werden können. Gelaugt werden die Brezeln erst vor dem Backen.  So erreichen die Filialen jederzeit frische Brezeln, ohne dass die Produktion unflexibel wird. Gebacken wird in modernen Stikkenöfen, bei Temperaturen, die Kruste und Krume ins richtige Verhältnis setzen: außen kräftig und knusprig, innen weich und elastisch. Direkt nach dem Backen beginnt die Logistik. Von der zentralen Backstube aus beliefern Lieferfahrzeuge die Filialen fünfmal täglich, damit Kundinnen und Kunden zu jeder Zeit ofenfrische Ware vorfinden.

Fertige Brezn im Stikkenofen
Foto: Johannes S.

Butterbrezeln sucht man bei Rischart vergeblich, es gibt es keine klassischen Butterbrezeln. Stattdessen werden Butterringe mit charakteristischen Knoten hergestellt, die sich einfacher aufschneiden und auch verzehren lassen, ähnlich wie ein Bagel. Traditionalisten können dafür auf die hochgradig köstliche Schnittlauchbrezel ausweichen, mit Frischkäse bestrichen und getaucht in üppigen, frischen Schnittlauch. Natürlich gibt es gerade jetzt auch eine opulente Wiesnbrezn, kunstvoll geflochten und so groß, dass man die sich auch gut teilen kann. „Das großzügige Streusalz auf der Wiesnbreze sorgt für den typischen Durst in den Festzelten.“, grinst Wiedermann. 

Die fertigen Brezn bereit zur Auslieferung
Foto: Johannes S.

Die Brezel als Zunftzeichen und g.g.A.

Die Brezel gilt seit dem vierzehnten Jahrhundert als Zunftzeichen der Bäcker. Sie symbolisiert Geschick, Fleiß und die Tradition des Handwerks. Historisch tauchte sie zunächst in Klöstern auf, später übernahmen die Bäckerzünfte die Form als Erkennungszeichen. Die Ursprünge sind nebulös: Einer Legende nach soll die Brezelform im Jahr 610 von einem Mönch erfunden worden sein, der durch die zum Gebet gekreuzten Arme seiner Mitbrüder inspiriert wurde. Populärer ist die Geschichte vom Hofbäcker Frieder aus Bad Urach, der aufgrund eines Frevels in den Kerker kam und zum Tode verurteilt wurde. Aufgrund seiner ansonsten tadellosen Dienste stellte ihm sein Landesherr Graf Eberhard V eine Aufgabe, um sein Leben doch noch zu retten: „Back ein Brot, durch das die Sonne dreimal scheint. Dann wirst du nicht gehenkt, dein Leben sei dir frei geschenkt.“ Die Bäcker hatte dafür drei Tage Zeit, ging ans Werk und kam nicht weiter. Seine Frau wurde unruhig und lehnte mit verschränkten Armen im Türrahmen. So erfand Frieder die Brezel. Das Wort selber, mit oder ohne „L“ soll sich vom lateinischen Bracchium „Arm“ ableiten, was nachvollziehbar wäre.

Seit 2014 ist die Bayerische Brezel zudem als geschützte geografische Angabe (g.g.A.) eingetragen. Nur Brezen, die in Bayern nach traditionellen Kriterien hergestellt werden, dürfen diese Bezeichnung offiziell tragen. 

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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