Die maritime Alternative zum Hamburger ist der Bremer – feiner Fischgenuss, praktisch im Brötchen. Lebensmittelmagazin.de hat es sich in der Hansestadt schmecken lassen.
Das Fischbrötchen ist eine kulinarische Institution Norddeutschlands, was schon Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron genießen durfte: Dieser verkostete an den Hamburger Landungsbrücken ein Räucheraalbrötchen; dabei wären die alternativen Varianten mannigfaltig – von Matjes über Bismarckhering bis hin zu Makrele oder Krabben.
Keine Angst vor Gräten!
In der Freien Hansestadt Bremen hat sich eine eigene kulinarische Spezialität etabliert: Das Bremer Fischbrötchen, kurz Bremer, ist vor allem für Kinder ein gut zugänglicher Fischgenuss, um keine Angst vor Gräten haben zu müssen. Dabei handelt es sich um eine Fischfrikadelle. Sie wird klassisch kalt serviert, eingeklemmt im runden Kaiserbrötchen und bequem mit der Hand gegessen. Fischbrötchen sind eher ein Imbiss oder informelles kleines Mittagessen, kein Gericht, das man im schicken Restaurant bestellt.
Zwar nicht im Restaurant, dafür im angegliederten Bistro mit Stehimbiss von Bremens Fischrestaurant „Knurrhahn“, bekommt man Bremer in allerschönster Form: hausgemacht, würzig und in ausgesprochen üppiger Portion zum Sattwerden. Man fühlt die Fleischstruktur des Seelachs im Mund, denn dieser ist fein gehackt und wird, wie vom Koch bestätigt, keinesfalls durch den Fleischwolf gedreht. Dazu kommen gekochte Kartoffeln für die Lockerung, Gewürze, ein Ei zur Bindung und Semmelbrösel für die Panade.

Foto: Von Godewind (talk) – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=21116246
Mit Ketchup oder Remoulade
Zur Überraschung serviert der Koch zwei Fischfrikadellen, denn seit geraumer Zeit trendet der Bremer mit selbst gemachter Remoulade, wie man es ansonsten vielleicht vom Backfisch kennt, der mit seinen Zwiebel- und Gurkenstückchen fein säuerlich-kräuterig hervorragend schmeckt. Klassisch wird die Fischfrikadelle aber mit Ketchup und Röstzwiebeln serviert. Was möglicherweise banal klingt, funktioniert subjektiv betrachtet aber noch ein bisschen besser: Der Ketchup mit seiner fruchtig-süßen Note und die Röstzwiebeln, die nicht nur umami, sondern auch schönen Crunch geben, verleihen dem Snack rundherum mehr Tiefe.

Foto: Johannes S.
Das Fischrestaurant Knurrhahn am Schüsselkorb in der Innenstadt von Bremen gilt als ältestes Fischrestaurant Bremens, dessen Gebäude aus der sogenannten Weser-Renaissance vor dem Dreißigjährigen Krieg stammt und seit 1973 unter Denkmalschutz steht. Seit wann dort Fischbrötchen serviert werden, lässt sich nicht mit Sicherheit nachvollziehen; aber die Existenz und Beliebtheit dieser Spezialität ist eng mit der Rolle Bremens im nordeuropäischen Fischhandel verknüpft. Obwohl die Stadt selbst nicht direkt am Meer liegt, bildet sie mit Bremerhaven als gemeinsames Bundesland eine Einheit, und die Nähe zum Fischereihafen war hierfür entscheidend.
Schwarz auf weiß
Die Geschichte der Fischerei in Bremen reicht weit zurück und war im Mittelalter ein äußerst wichtiger Wirtschaftszweig der Stadt. Die Fischerämter spielten dabei eine zentrale Rolle, deren Mitglieder streng darüber wachten, dass der Fluss und die Fischbestände geschützt wurden. Fische wie der sogenannte Brotfisch, die saisonal in rauen Mengen gefangen wurden, dienten als „tägliches Brot“, zu dem auch der Lachs zählte. Aufgrund dieser Bedeutung erließen die Ämter strenge Regeln zur Hege und Pflege, insbesondere für die Laichgewässer. Die Wichtigkeit dieser Zunft spiegelte sich auch in der Dokumentation wider: Die Fänge wurden sorgfältig in den „Kundigen Rollen“ der Fischerämter festgehalten. Bereits um 1530 entstand die älteste Fischeramtsrolle, ein kleines Pergamentdokument, das die Statuten des Fischeramts und die Organisation des Fischfangs auf der Weser belegte. Diese Berichte im 16. Jahrhundert erzählen beispielsweise von einem großen Fischzug auf der Weser, wobei die Fischer sowohl im Fluss als auch im Meer aktiv waren.
Später, Ende des 19. Jahrhunderts, war die Bremen-Vegesacker Fischerei-Gesellschaft zeitweise die größte Heringsfischerei-Gesellschaft Europas. Diese umfassende Rolle in der Fischwirtschaft schuf die Grundlage dafür, dass Fischprodukte wie die Frikadelle in der Stadt tief verwurzelt sind. Denn Bremen war nicht nur ein Bindeglied im Vertrieb, sondern auch ein bedeutendes Zentrum für Fang und Verarbeitung. Die Fischfrikadelle ist in diesem Zusammenhang auch ein hervorragendes Beispiel für die traditionelle und nachhaltige Verwertung in der Fischerei: Sie bot schon immer eine praktische Möglichkeit, Abschnitte und Teile des angelandeten Fisches, die nicht direkt als Filet verkauft wurden, weiterzuverarbeiten und somit den gesamten Fang optimal zu nutzen.
Überraschung!
Die große Fischrestaurantkette und Produzentin von Fischprodukten, Nordsee, hat seit 1896 ihren Sitz in Bremerhaven, damals noch als Deutsche Dampffischerei-Gesellschaft Nordsee. Das erste Restaurant eröffnete im gleichen Jahr. Es sollte aber mehr als 100 Jahre dauern bis zur Einführung der Fischfrikadelle im Brötchen unter der Bezeichnung „Der Bremer“ in ihrem Sortiment. Denn was der Rest der Republik landläufig als Bremer kennt, ist das Ergebnis erfolgreichen Marketings unter Etablierung dieses Namens. Der ehemals jüngste Fischauktionator, heute Bereichsleiter für Marketing und Touristik im Fischereihafen Bremerhavens, Sebastian Gregorius, verrät: „Niemand in Bremen sagt zur Fischfrikadelle Bremer, sondern einfach nur Fischfrikadelle.”
