Mittagessen am Platz

Innerbetriebliche Gesundheitsvorsorge: Mit App und Workshop zur „gesunden Mittagspause“

Ob Kantine oder von Zuhause mitgebracht – die halbe bis ganze Stunde Mittagspause bei der Arbeit ist auch ein Zeitpunkt, an dem sich die verschiedenen Geschmäcker offenbaren. Dies zu berücksichtigen und trotzdem zu versuchen, einen gesunden Lebensstil der Arbeitnehmer:innen zu fördern, ist ein Fokus der Innerbetrieblichen Gesundheitsvorsorge. Ein Startup will Unternehmen bei der Umsetzung unterstützten.

Julia Elert bildet zusammen mit Sophie Möbius das Start-Up-Unternehmen Edda. Die App soll eine gesunde und bewusste Ernährung am Arbeitsplatz für das ganze Unternehmen unterstützen, eingebettet in ein umfassendes Konzept im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. „Wir sind seit November 2019 auf den Markt, nachdem wir unser Modell zuvor im Rahmen des Berliner Startup-Stipendiums aufgebaut haben. Ursprünglich bestand die komplett digitale Idee, per App dem Kunden eine Mittagsempfehlung zu geben“, erklärt Julia Elert. Doch im Zuge der Praxis bildete sich ab, dass die direkte Interaktion im Rahmen von Workshops und Vorträgen unerlässlich ist. Das Angebot von „Edda“ soll an die Küche von Sophie Möbius‘ Oma Erna erinnern, „aber eben eine moderne Oma, das heißt basic und solide, aber eben modern“, erklärt die Ernährungsberaterin. „Wurde in den Zeiten des Wirtschaftswunders nach dem Krieg zwar noch eigenständig, aber mit viel Butter und Margarine gekocht, geht es heute vor allem um die Wertschätzung und eine ausgewogene Lebensmittelauswahl.“

(Ernährungs-)Wissen ist Macht

Oftmals erlebe sie, dass die Vorstellung, eigenständig ein Chili con carne ohne vorgefertigte Würzmischung zu kochen, viele ihrer Teilnehmer:innen überfordert, so Elert. „Man muss sagen, dass die Leute sich nicht trauen, ein Kochbuch aufzuschlagen oder ein Kochtutorial nachzuvollziehen. Bei uns geht es in diesem Fall allerdings nicht nur um Vermittlung von Selbstvertrauen, sondern auch von Wissen. Gerade bei Lebensmitteln gilt ‚Wissen ist Macht‘, ein Großteil unserer Workshops vermittelt Bildung“, erklärt die Gründerin. Diese kann jedoch im Rahmen der Events sehr praktisch ausfallen, beispielsweise mit einer Genussschulung: „Die Teilnehmer müssen eine kleine, aromatische Rosine mit allen Sinnen erleben. Zuerst zwischen den Fingern erfühlen, dann riechen und zuletzt solange kauen, bis diese verschwunden ist. Der berühmte Koch Escoffier sagte, ‚Viele Menschen haben das Essen verlernt, sie können nur noch schlucken.‘“

Eine gesunde Mittagsmahlzeit

Im Rahmen der Workshops werden gelegentlich auch die Küchen in den Betrieben angeschaut. „Es ist dann vorgekommen, dass wir Kühlschränke voller Softdrinks vorgefunden haben und leider viel zu oft ein unzureichendes Verpflegungsangebot.“ Dabei beginnen die Ansprüche für die Ernährungsberaterin zuallererst bei regelmäßigen Mittagspausen mit einer ausgewogenen Ernährung und möglichst abwechslungsreichen Mahlzeiten. „Reich an Gemüse, mit einer Eiweißkomponente, aber durchaus auch Kohlenhydraten, die uns die nötige Energie geben“, erklärt Julia Elert. „Man rechnet grob die Hälfte Anteil an Gemüse, ein Viertel Proteine und ein Viertel Kohlenhydrate, mit einem Gesamtdurchschnittsgewicht von 750 Gramm inklusive Getränk.“

Eine generelle Herausforderung stelle das Mittagstief dar: „Das stellt sich oft ein, wenn man das Mittagessen beispielsweise aufgrund von zu viel beruflichem Stress unterschlägt und der Blutzucker in den Keller sinkt. Auch ein Übermaß sorgt dafür, dass sämtliche Energie für die Verdauung benötigt wird.“ Auch der Einfluss von frischer Luft mit Sauerstoff und Bewegung gelte es zu vermitteln.

Kulinarische Fallstricke

Ein besonderes Risiko gelte für Arbeitnehmer:innen mit Adipositas, die sich beispielsweise aus Scham tagsüber zurückhalten würden, bis sie abends vom Heißhunger attackiert werden. „Aber auch die beispielhafte Konditionierung von der Tüte Kartoffelchips zum abendlichen Tatort hat sehr individuelle Gründe, die man sich anschauen muss“, sagt die Edda-Gründerin. Dazu gebe es viele Empfehlungen, wie Zähneputzen zum Appetitdämpfen oder auch ein Spaziergang. „Wir empfehlen etwas Neues auszuprobieren, wie etwa selber Chips herstellen oder auch beispielsweise knusprige Kichererbsen. Man muss sich selber nach den eigentlichen Gründen fragen. Oftmals wird einfach Hunger mit Durst verwechselt.“

„Oftmals wird einfach Hunger mit Durst verwechselt.“

Julia Elert, Mitgründerin des Startups „Edda“

Der wichtigste Grund für eine unzureichende Mittagsversorgung ist weitläufig der Zeitdruck und Stress, über 90 Prozent geben dies in Umfragen an. Aber auch die Unwissenheit und nicht zuletzt der Gruppendruck. Die Startup-Gründerin meint: „Wenn alle Pizza essen gehen, bleibt der Salat in der Tasche. Wenn die Kollegin einen Kuchen mitgebracht hat, muss er selbstverständlich aufgegessen werden.“ Darüber hinaus fehle oftmals das Bewusstsein zur mangelnden Bewegung: „Sitzen ist das neue Rauchen“, schmunzelt Julia Elert.

Wegen der aktuellen Corona-Situation mit der häufigen Umstellung auf Heimarbeit bzw. Home-Office müsse das Thema noch einmal neu bewertet werden. „Während die langjährigen Kantinenfans jetzt gerade Schiffbruch erleiden und mit der neuen Situation nur unzureichend klarkommen, können erfahrene Mealprepper damit hervorragend umgehen. Momentan arbeiten wir deswegen an einem Live-Kochkurs-Format für Unternehmen.“

Trinken ist nicht trinken

Ein weiterer Punkt für die Produktivität ist laut Julia Elert sehr wichtig: Trinken. 35 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht, das entspricht einer Standardempfehlung von anderthalb bis zwei Litern pro Tag. Mangelnde Flüssigkeitsversorgung sei ebenfalls Ursache für Müdigkeit und Mittagstief.

Neben den allgemein bekannten Empfehlungen wie Wasser, ungesüßter Kräutertee und verdünnte Saftschorle, empfiehlt die Ernährungsexpertin kalten Tee mit einem Schuss Saft als Eistee-Alternative oder auch Infused Water – Wasser kalt aufgesetzt mit Gurkenscheiben, Erdbeeren, Himbeeren oder Brombeeren, Minze oder Basilikum. Das bietet Erfrischung im Büro, gerade an heißen Sommertagen wie aktuell.

Artikelfoto (oben): Molostock – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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