Zum Wohlsein! Mit oder ohne Alkohol

Die ersten Sonnenstrahlen verheißen baldige Lust, wieder im Freien zu sein, ob bei einer Party im Garten oder zu einem kleinen Plausch im Straßencafé – gerne auch mit erfrischendem Cocktail. Erfreulicherweise ist inzwischen das Angebot alkoholfreier Pendants zu Gin & Tonic und Spritz gewachsen. Lebensmittelmagazin.de hat tief ins Glas geschaut.

Dr. Christina Jagla ist promovierte Apothekerin und Geschäftsführerin von Dr. Jaglas Elixiere. Was nach Harry Potter klingt, sind Kräuterbitter, Gins und alkoholfreie Aperitifs, deren elegante Apothekerflaschen ins Auge fallen. Sie berichtet: „Ich habe 2015 in Berlin die Marke Dr. Jaglas gegründet, um alte Rezepturen aus unserer Familienapotheke auch außerhalb der Apotheke an Feinkostläden, Concept Stores, Gastronomie und im eigenen Onlineshop verkaufen zu können. Mein Vater setzte schon in den 70er Jahren eigenständig Artischocken-Elixier als eine Art traditionelles Arzneimittel an und verkaufte dieses, später auch mit Ginseng und Maca, in seiner Apotheke. Keine Missverständnisse, die Marke Dr. Jaglas und die Apotheke sind voneinander getrennt.“

Dr. Christina Jagla und ihr Vater Helmut. W. Jagla im Labor ihrer Apotheke.
Foto: Dr. Jaglas

Klassisches Apothekenhandwerk

Teile der Produktion finden noch in der Apotheke statt, wie die Überprüfung der Kräuter auf Arzneibuch-Qualität, die Zerkleinerung und die Zusammenmischung der Tinkturen. Dafür werden die Kräuter anhand des Brechungsindex im Infrarot-Spektrometer und per Dünnschicht-Chromatographie untersucht, wie man es vielleicht noch aus dem Chemieunterricht kennt. Die Pharmacopoea Germanica ist das alte Deutsche Arzneibuch, früher auf Latein, heute auf Deutsch. Es ist Pflichtkompendium in Apotheken und wird jedes Jahr aktualisiert. Hier findet man die Prüfmethoden, um die Qualität bestimmter Arzneikräuter zu kontrollieren sowie die Herstellungsvorschriften. Über die Jahre fallen auch immer wieder welche weg oder kommen dazu. Klassisch verwendet man für Aperitifs und auch als Digestif Bitterkräuter. Also Kräuter, Wurzeln und Rinden mit einem hohen Gehalt an Bitterstoffen und ätherischen Ölen. „Auch die Zerkleinerung der Kräuter nach Vorgaben des Deutschen Arzneibuches machen wir eigenhändig in der Apotheke. Der unterschiedliche Grad der Zerkleinerung hat großen Einfluss auf die geschmackliche Auswirkung. Pflanzen wie Ingwer, Enzian oder Ginseng haben beispielsweise einen deutlich dominanteren Geschmack gegenüber anderen. So können wir regulieren, dass der Geschmack ausbalanciert bleibt. Auch wenn Mörser und Stößel längst technische Unterstützung erhalten, dauert es doch durchaus eine ganze Woche, eine Palette mit Heilpflanzen durchzuarbeiten“, gibt Christina Jagla zu bedenken. Aus den Kräutern werden Tinkturen gewonnen. Dafür werden je nach klassischer Rezeptur aus dem Arzneibuch ein bis fünf Kräuter in 70-prozentigen Alkohol in Form von reinem Weingeist eingelegt. „Für Tinctura Chinae composita beispielsweise sind das Chinarinde, Pomeranzenschale, Enzianwurzel und Zimt“, erklärt die Apothekerin. Je nach Rezept ziehen diese Kräuter dann beispielsweise eine Woche oder auch durchaus bis zu drei Monaten im Alkohol. „Aus diesen Tinkturen komponieren wir das Elixier, regulieren den Alkoholgehalt und schmecken diesen Kräuterbitter dann mit Zucker ab. Die Artischocken-, Ginseng-, und Maca-Ginseng-Elixiere basieren alle drei auf einer mittelalterlichen Klosterapothekenrezeptur. Sie stammt aus einem Benediktinerkloster und besteht aus über 30 Klosterkräutern. Da es ausschließlich Bitterkräuter mit einem hohen Gehalt an Bitterstoffen und Ätherischen Öle umfasst, wurde empfohlen, es Teelöffelweise nach dem Essen zu nehmen.“ Auf dem Markt sind diese drei Sorten als Spirituose unter den rechtlichen Namen „Kräuterbitter“, bzw. Amaro oder Magenbitter bekannt und werden mittlerweile in Restaurants pur – als Digestif ausgeschenkt.

Artischocken-Elixier mit Elixier-Dosierer und Degustationsglas
Foto: Dr. Jaglas

Es geht auch ohne Alkohol

Im Vergleich dazu ist die Produktion der alkoholfreien Aperitifs „Herber Hibiskus San Aperitivo“ und neuerdings auch „San Limello“, eine Limoncello-Alternative, schon eine besondere Herausforderung. „Mit Wasser löst man wasserlösliche Inhaltsstoffe aus den Kräutern, während man mit Alkohol die fettlöslichen wie beispielsweise ätherische Öle oder Bitterstoffe herausholt. Für den herben Hibiskus San Aperitivo und den San Limello nimmt man also Aufgüsse von Hibiskus bzw. Zitronenschalen. Man kann Kräuter aber auch alternativ in Wasser einlegen, das nennt man Mazeration. Oder man löst die Inhaltsstoffe als Hydrolat, das Kondensat der Wasserdampfdestillation“, erklärt die Fachfrau. Hier werden jeweils zusätzlich zu den Zitronenschalen oder Hibiskusblüten Kräuter wie Kampfer, Lavendel, Zitronengras oder auch Rosmarin und Thymian beigefügt. So einfach wie es klingt, ist es dann aber doch nicht: „Sehr wichtig ist neben dem Extraktionsmittel Wasser / Alkohol aber auch, wie lange die Kräuter im Extraktionsmittel liegen (bzw. mazerieren), ob hierbei Wärme hinzugefügt wird, ob Bewegung dabei ist, also wie oft zum Beispiel umgerührt wird, und ganz wichtig, wie stark die Kräuter zerkleinert sind“, erläutert Christina Jaglas. Im Gegensatz zu den meisten alkoholfreien Alternativen, meistens für Gin, die man inzwischen auf dem Markt findet, schmecken diese alkoholfreien Aperitifs auch pur, während die anderen erst im Zusammenspiel mit beispielsweise Tonic ihren Geschmack entfalten können.

Gin und weg

Apropos Gin, den gibt es unter der Marke Dr. Jaglas auch, die Apothekerin erzählt: „Der Gin ist eine Weiterentwicklung von Kräuterbitter Ginseng-Elixier als destillierte Form. Die Tinkturen des Ginseng-Elixiers werden noch einmal destilliert. Durch die Destillation verschwindet der Zucker. Unser Gin ist komplett zuckerfrei. Außerdem hat unser Gin 50%vol und fällt daher unter die Gattung Navy Gin. Gin wurde ja ursprünglich für die Seefahrt entwickelt. Durch den hochprozentigen Alkohol tötet er alles ab. Problematisch ist, dass es keine festgelegte Definition von Gin gibt, außer dass er mindestens 28%vol haben und primär nach Wacholder schmecken sollte. Statt Neutralalkohol verwenden wir beispielweise Weizenalkohol. Dieser ist siebenfach destilliert und kann daher auch sehr gut pur getrunken werden. Von solchen Gins gibt es nur ganz wenige in Deutschland. Die Alkoholqualität muss aber nicht verpflichtend auf den Flaschen deklariert werden, sondern nur das Volumenprozent.“

Foto: Dr. Jaglas

Hoch die Tassen

Natürlich lassen sich auch die Bitteraperitifs, ob mit oder ohne Alkohol, beispielweise mit Tonic oder Sodawasser hervorragend genießen. Interessanterweise findet man auf der Internetseite auch Foodpairings, etwas, das man bislang eher vom Wein her kannte. Christina Jagla ist sich sicher, dass beispielsweise die bittersüßen Geschmacksakkorde auch in anderen Lebensmitteln wie Espresso oder auch ganz hervorragend im Käse wiederfinden lassen und so spannende, harmonische Geschmacksverbindungen entstehen.

Für alle, die Lust haben, auch mal eigenständig mit Kräutern zu experimentieren, hat die Apothekerin ein Tonic-Rezept:

Zutaten:

1 Liter Wasser

100 Gramm Zitronengras

15 Gramm Chinarinde (online oder in der Apotheke)

1 Bio-Orange (Saft und Schale)

1 Bio-Zitrone (Saft und Schale)

1 Bio-Limette (Saft und Schale)

6 Gramm Pimentkörner

1 Gramm Salz

10 Gramm Zitronensäure (im Supermarkt bei den Backwaren)

600 Gramm Zucker 

Rezept-Variationen für den eigenen Tonic Sirup: Pimentkörner können mit Basilikumblättern ausgetauscht werden. Gewürze wie Zimt, Cumin oder Cardamon zugeben. Anstelle von Zucker mit Agavendicksaft süßen. Nur Zitronen und keine weiteren Zitrusfrüchte verwenden. 120 Gramm Zitronengras hinzugeben.

Zubereitung

Das klein geschnittene Zitronengras, den Saft und Abrieb der Zitrusfrüchte sowie die restlichen Zutaten bis auf den Zucker in einen Topf geben und kurz aufkochen. 20 Minuten köcheln lassen. Anschließend abgießen, mit einem sauberen Baumwolltuch oder einem Kaffeefilter filtern und in einen sauberen Topf gießen. Den Zucker einrühren, kurz aufkochen lassen. Den Sirup in ein sauberes, verschließbares Gefäß füllen.

Artikel-Teaserbild (oben): Dr. Jaglas

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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