Teebeutel – Genuss zum Reinhängen 

Teebeutel kennt man wahrscheinlich auf der ganzen Welt als einfache und praktische Möglichkeit für Teegenuss. Lebensmittelmagazin.de war bei dem Unternehmen, das den Teebeutel in seiner heute üblichen Form erfunden hat – Teekanne. 

Auf die prätentiöse Frage, wie sie ihren Tee zu nehmen pflegt, lässt Alfred Hitchcock Tippi Hedren in seinem Psychothriller „Marnie” ganz lapidar antworten: „Normalerweise mit einer Tasse heißem Wasser und einem Teebeutel.” In der Van der Grinten-Sammlung auf Schloss Moyland kann man unter anderem ein Werk eines der größten Künstler des 20. Jahrhunderts, Joseph Beuys, bewundern: einen eingerahmten Teebeutel. 

Heimvorteil

Man müsste beim nächsten Besuch eruieren, ob dieser künstlerisch wertvolle Teebeutel nicht möglicherweise aus dem Hause Teekanne stammt. Immerhin lebte und arbeitete Beuys im Rheinland, unter anderem auch in Düsseldorf, dem heutigen Ort des Stammsitzes von Teekanne, der Mutter aller Teebeutel.

Bienenhotel in Teekannenform
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Dabei wurde zunächst 1882 das Stammunternehmen Otto E. Weber in Radebeul bei Dresden gegründet. Neben Kolonialwaren war Tee ein wichtiger Teil des Sortiments. Die Firma sicherte sich bereits 1888 die „Teekanne“ als Schutzmarke. Ein zunächst großer Nachteil sollte sich langfristig für die Herren Anders und Nissle, die erste Generation der Teekanne Gesellschafter, als Vorteil entpuppen: So fernab von Hamburg und den übrigen Hansestädten gab es für das Unternehmen nicht den Zugriff auf die Premium-Qualitäten. Dieser Standortnachteil wurde aber bestmöglich kompensiert und etwaige Qualitätsnachteile der Rohware wurden durch Mischungen ausgeglichen. Vor allem konnte durch den entwickelten Verschnitt eine gleichbleibende Qualität generiert werden, was heute durch das sogenannte „blending“ gang und gäbe ist. Darüber hinaus kann die Firma für sich in Anspruch nehmen, den bis heute weltweit gebräuchlichen Teebeutel erfunden zu haben sowie auch die dazugehörende Teebeutelmaschine.

Teebeutel in der Tasse
Foto: MargJohnsonVA – elements.envato.com

Von Ost nach West

Nach der Dresdner Bombardierung am Ende des Zweiten Weltkriegs verlagerte das Unternehmen seinen Sitz zunächst nach Viersen an den Niederrhein, bevor es 1954 nach Düsseldorf zog, wo bis heute der Hauptsitz des Unternehmens ist. Teekanne produziert außerdem noch in Radebeul, aber auch in Österreich und Spanien und hat Vertriebsbüros in Italien, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei und den USA.

„Infolge der Besetzung der Alliierten sah sich das Unternehmen, das aus der sowjetischen Besatzungszone in die britische im Rheinland gezogen war, mit der Herausforderung konfrontiert, dass Genussgüter wie Tee der deutschen Bevölkerung erstmal nicht zugänglich waren. Auch hier konnte das Unternehmen aus der Not eine Tugend machen und etablierte gefällige Mischungen an Kräuter- und Früchtetees im Teebeutel als Ersatz für die deutschen Haushalte, wie beispielsweise Hagebutte, Apfel oder Fenchel. Kräutertee war vorher in Deutschland lediglich als Heilmittel üblich, etwa Thymian und Pfefferminze gegen Erkältung beispielsweise“, erklärt Geschäftsführer Frank Schübel. Im Sortiment gibt es heute diesbezüglich funktionale Kräutertees, wie beispielsweise den „Atme dich frei”, der sich zwar an Arzneitee-Rezepturen orientiert, aber eben auch so zu genießen sei.

Tee liegt in der Luft

Bereits vor den Toren des Werks riecht es angenehm kräuterig mit wahrnehmbarer Minznote. Diese kommt übrigens über den Seeweg von 150 Lieferanten aus 50 Ländern weltweit nach Rotterdam, von wo aus die Ware per LKW hier ankommt. Im Gebäude, wo in den 50er Jahren noch Geschäftsführung und Verarbeitung unter einem Dach vereint waren, residiert heutzutage nur noch die Verwaltung. Das ehemals 75.000 Quadratmeter große Werksgelände hat sich inzwischen verdoppelt. Im hinteren Teil des Geländes, das schon zur Nachbarstadt Neuss gehört, liegt das automatisierte Hochregallager für über 35.000 Europaletten. Hier lagern rund 300 verschiedene Zutaten wie Kräuter oder Früchte Sauerstoffreduziert, nachdem sie als hygienische Sicherheitsmaßnahme unter CO2-Druck vorbehandelt wurden. 

Die CO2-Neutralität wiederum kommt unter anderem von Grünstrom und Biogas, sowie der Photovoltaikanlage auf dem Dach, mit der auch die vollelektronischen Kleintransporter betrieben werden, die auf dem Gelände hin und her fahren. So zum Beispiel zum Labor für die Kontrolle der Warenproben oder zum Feinschnittcenter, wo die Zutaten geschnitten, gesiebt und gereinigt werden. Über diese Verarbeitungsschritte herrscht nahezu Stillschweigen. Nur so viel, es erfordert ein bestimmtes Verständnis, die Zutaten so zu verarbeiten, das eine gleichmäßige Verteilung der Zutaten in der Mischung gewährleistet ist. Man denke dabei an das physikalische Prinzip der Müslipackung, wo die großen Zutaten immer oben drauf liegen, was es bei Tee zu verhindern gilt. 

Die Zutaten kommen in 50 bis 60 Liter-Säcken à 25 bis 40 Kilogramm je nach Zutat in eine Vakuumdampfkammer bei 100 Grad Celsius – sicher ist sicher. Die einzelnen Gebäudeteile in der Verarbeitung sind per Tunnel miteinander verbunden, auf dem die Säcke per Europalette durchmanövriert werden, von montags bis freitags nonstop in drei Schichten. 

Kommissionierer gewährleisten für das jeweilige Batch von 750 kg die exakten Mengen der jeweiligen Zutaten, die im Zweifelsfall auch extra abgewogen werden. Hier am Standort Düsseldorf werden sämtliche Teemischungen hergestellt. Diese werden dann in der Teebeutelmaschine kunstvoll abgefüllt, rund 350 bis 400 Mal die Minute an rund 56 Maschinen gleichzeitig. In den Corona-Jahren, wo alle zu Hause saßen und Tee schlürften, lag der Peak bei 380 Mio. Teebeuteln pro Monat.

Rundlauf der frisch verpackten Teebeutel
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Dabei wird großen Wert auf Umweltschutz gelegt: keine Plastikfolie, kein Verbundmaterial, nur FSC-Papier, bzw. der Teebeutel aus Cellulose, basierend auf Bananenfaser. Weder Beutel noch Verpackung werden geklebt, sondern gerändelt, gefaltet und zusammengepresst. Auch die Metallklammer gibt es nicht mehr, der Faden wird jetzt festgenäht. „Wir wollen Standards setzen mit allem was wir tun”, erläutert Schübel selbstbewusst. Schließlich seien sie weltweit der fünftgrößte Teeproduzent und Kräutertee-Marktführer. 

Alles selbst gemacht

Das gilt nicht nur für das Umweltbewusstsein des Unternehmens, sondern auch für die Qualität, bei der Blindverkostung sei der Pfefferminztee beispielsweise immer heraus zu schmecken. „Der große qualitative Unterschied zu den Mitbewerbern ist, dass wir selber mischen, während die anderen alles von einem Zulieferer bekommen.” Besonders stolz ist er beispielsweise auf die Verarbeitung der Äpfel für seinen Tee, seiner Meinung nach einzigartig auf der Welt.

Aktuell gibt es alleine 300 unterschiedliche Sorten an Tee in Teebeuteln, das Angebot an losen Tees und Teekapseln dabei nicht berücksichtigt. Wobei lediglich 28 Prozent des Angebots tatsächlich Tee von der Pflanze Camelia sinensis, ob schwarz, grün oder weiß ausmacht. Es ist eine Eigentümlichkeit der deutschen Sprache, mit Tee sowohl die Teepflanze als auch Kräuter- und Früchtetees zu umfassen. Da unterscheiden die Engländer und auch die Franzosen deutlich zwischen Tee und Infusion, also Aufguss. 

Frank Schübel ist sich sicher, Tee ist das Lifestyle-Getränk der Gegenwart: „Man kann schon allein die beruhigende Wirkung von heißem Wasser für den Schlaf sehen. Außerdem ist jeder Kräutertee von sich aus basisch und natürlich pflanzlich und wenig verarbeitet.” Übrigens: die erfolgreichsten Tees bei Teekanne sind italienische Limone und der Klassiker Fenchel-Anis-Kümmel. 

Artikel-Teaserbild (oben): AtlasComposer – elements.envato.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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