Pizza Napoletana, „that’s Amore“ und vor allem sehr viel Technik

Der Deutschen Leibspeise Nummer Eins hat das Siegel der geschützten traditionellen Spezialität, gehört zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe und stammt aus Italien: Pizza, in diesem Falle neapolitanischer Art. Lebensmittelmagazin.de hat dem Lehrer einer Pizzaschule auf die Finger geschaut.

Kaum liegt die Pizza in der Gluthitze des Pizzaofens, entwickelt sie ein beachtliches Eigenleben. Der Teig steigt empor, wirft Blasen und nach wenigen Augenblicken liegt die Pizza fertig dampfend auf dem Teller: voluminöser Rand, saftige Tomaten und zartschmelzender Mozzarella. Aber Vorsicht, noch verbrennt man sich Finger und Gaumen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops stehen vor der Theke und hören sich die Erklärungen vom Pizzabäcker an.
Mario Carloni erklärt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Workshops die Grundlagen des Pizzabackens.
Foto: Make Pizza Academy

Unterrichtsstunde Pizza

Es ist Montagabend und Dario Mosconi, Geschäftsführer der Make Pizza Academy, trifft mit Pizzabäcker Mario Carloni rund ein Dutzend Pizzaliebhaber und -liebhaberinnen in der Open Kitchen des Acucina Italianas des Aletto Hotels Potsdamer Platz in Berlin. Diese sollen hier lernen, eine Pizza auf neapolitanische Art zu backen.

2014 gründete Dario Mosconi seine Make Pizza Academy in Berlin. Zuvor arbeitete er in der größten Pizzaschule der Welt in der Nähe von Venedig. In seiner Akademie unterrichtet er nicht nur Hobbyköche, sondern bildet auch Profiköche weiter aus. Darüber hinaus organisiert er Teambuilding-Events rund ums Pizzabacken und berät Restaurants.

Der hauptsächliche Unterschied zwischen einer neapolitanischen Pizza und anderen Pizzaarten ist die hohe Temperatur bis an die 480 Grad Celsius, die man mit dem haushaltsüblichen Ofen normalerweise nicht erreicht, da dieser im besten Fall 250 Grad schafft. Als Alternative zum Erwerb eines kostenintensiven Pizzaofens, hat der Pizzafachmann für seine Schülerinnen und Schüler einen simplen Trick: „Vor dem Belegen kommt der bereits fertig geformte Teig in eine auf höchster Stufe vorgeheizte Pfanne, die auf der Herdplatte weitaus höhere Temperaturen erreicht als der Ofen. Der Teig erhält so den notwendigen thermischen Impuls. Nach zwei Minuten wird der Teig aus der Pfanne geholt und die Pizza belegt. Dann wird sie für weitere zwei Minuten in dem aufs Maximum vorgeheizten Backofen bei 250 Grad fertig gebacken.” Diese Verbindung aus sehr hoher Temperatur und kurzer Backzeit sorge dafür, dass die Zutaten wie Tomatensoße und Käse nicht austrocknen.

der Pizzaofen der Make Pizza Academy im Acucina am Potsdamer Platz
In der Make Pizza Academy befindet sich natürlich ein spezieller Pizzaofen, der auch sehr hohe Temperaturen erreicht.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Tomatensoße an und für sich

Abgesehen vom außergewöhnlichen Backofen, gibt der Lehrer für die sonstigen Zutaten Entwarnung: „Prinzipiell bekommen Sie alle Zutaten für eine hervorragende Pizza im normalen Supermarkt.”

Was simpel klingt, ist in der Praxis tückisch, denn schon kleine Details können die Lust auf den Genuss vermiesen. Wenn etwa die Soße den Teig aufweicht – ein wichtiges Problem, für das die Schülerinnen und Schüler gerne Rat vom Lehrer hätten. Sollten beispielsweise die Tomaten aus der Dose vorher abtropfen, damit die Soße eine dickere Konsistenz hat? Dario Mosconi verneint: „Sie nehmen einfach wenig Soße, anderthalb Kochlöffel pro Pizza reichen vollkommen aus. Das sind etwa 80 bis 100 Gramm.” Darüber, ob man Dosentomaten, im Ganzen geschält, in Stücken oder direkt als fertige Passata kaufen soll, hat der Pizzalehrer für den ultimativen Genuss besondere Vorstellungen: „Die Kerne in den Tomaten können bitteren Geschmack abgeben, wenn sie beim Zerkleinern etwa mit dem Pürierstab zerstört werden. Dementsprechend empfehle ich, Tomaten im Ganzen zu verwenden und diese vorab in einer Schüssel mit den Händen zu zerkleinern. Das garantiert, dass die Kerne ganz bleiben.” 

Bei frischen Tomaten empfiehlt er, diese vorher abzubrühen, zu pellen und dann genau wie die Dosenvariante zu verwenden.

Was die Tomatensoße betrifft, gibt es eine Überraschung: „Eine gute Tomatensoße braucht nichts außer Tomaten, Salz und etwas Olivenöl, vielleicht etwas Basilikum, aber vor allem keinen Oregano.” Der überdecke mit seinem intensiven Geschmack jedes andere Aroma. „Außerdem müssen Sie die Tomatensoße vorab nicht noch einmal kochen, die Tomaten wurden bereits in der Dose gegart und beim Backen hinterher auch noch mal, das sollte reichen“, erklärt der Experte. Die von ihm empfohlenen zehn Gramm Salz pro Kilo Tomaten dienen eher als Richtwert, für einige Schülerinnen und Schüler war die Soße dann schon etwas salzig.

Hier hat Dario Mosconi noch einen guten Praxis-Tipp: „Wenn Sie einen Eindruck von der Qualität eines italienischen Restaurants vermittelt haben wollen, bestellen Sie am besten Pasta al Pomodoro oder eine Pizza Margherita oder Marinara. Anhand der Tomatensoße lässt sich die Qualität gut ablesen, zum Beispiel ob sie etwa überwürzt ist oder ob sie die Zutaten gut zur Geltung kommen lässt.”

Käse und Teig

Beim Mozzarella muss erstmal die Lake abtropfen, nachdem er geschnitten wurde. Es bleibt eine Frage des Gustos, ob man die Pizza vorab mit Mozzarella belegt, um ihn schmelzen zu lassen oder erst im Anschluss nach dem Backen, um die besondere Cremigkeit genießen zu können.

Das Wichtigste kommt im Workshop zum Schluss: der Teig. Dario Mosconi überrascht seine Schülerinnen und Schüler mit der Aussage, dass man Pizza quasi mit jeder Art von Weizenmehl machen könne: „Nur Typ 1050 oder Vollkornmehl würde ich höchstens anteilig mit 20 bis 30 Prozent verwenden, auch bei Dinkelmehl wäre ich vorsichtig.”

Auf der Theke stehen typische deutsche Mehlhandelsmarken neben italienische Mehlsorten, die auf Pizza spezialisiert sind. Der Lehrer zeigt auf die Nährstoffangaben: „Worauf es ankommt, ist der Proteingehalt. Was man dazu sagen kann: Je höher der Proteingehalt ist, umso länger muss der Teig gehen.”

Das liege daran, dass der Teig zum einen gärt. Das bedeutet, dass die Hefe Zucker in Kohlenstoffdioxid und Alkohol fermentiert. Das erkennt man an der Bläschenbildung und dem aufsteigenden Teig. Zum anderen muss der Hefeteig reifen, was mehr Zeit in Anspruch nimmt. Die im Mehl enthaltenen Alpha- und Beta-Amylasen zersetzen die komplexen Kohlenhydrate und die Weizenproteine Glutamin und Gliadin, zusammen als Gluten bekannt, bilden ein Netz. „Pizzateig muss elastisch sein. Wenn er nicht ordentlich reift, ist er zäh und schnellt beim Auskneten zurück wie ein Gummiband.” Für einen Pizzateig, der noch am selben Tag gebacken werden soll, empfiehlt der Pizzaexperte ein ‘weiches’ Mehl mit eher niedrigem Proteingehalt, etwa neun Gramm Protein auf 100 Gramm. Für eine Pizza, die am nächsten Tag verarbeitet werden soll, bieten sich Mehle mit einem höheren Proteingehalt von etwa zwölf Gramm an; dieser sollte im Kühlschrank abgedeckt gehen.

Der Teig sollte grundsätzlich mindestens drei bis vier Stunden gehen. Ansonsten sorgt er für das unangenehme Völlegefühl, dass einem bisweilen nach Pizzaverzehr ereilt.

vier verschiedene Sorten Weizenmehl nebeneinander
Nicht auf die Marke, sondern auf den Proteingehalt im Mehl kommt es beim Pizzabacken an.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Selber kneten

Soweit die Theorie, natürlich haben die Schülerinnen und Schüler auch die Möglichkeit, unter fachkundiger Anleitung von Lehrer und Koch, selber einen Pizzateig zu kneten, den sie anschließend für den kommenden Tag mit nach Hause nehmen können. Mario Carloni, der Pizzabäcker, zeigt ihnen, wie man nach dem Kneten durch mehrfaches Falten die perfekte Pizzateigkugel formt.

Pizzateig neapolitanischer Art besteht für zwei Portionen aus 300 Gramm Mehl, 195 ml Wasser, 7,5 g Salz sowie zwei Gramm Trockenhefe, bzw. vier Gramm frischer Hefe, im Winter gerne auch etwas mehr. Und wenn der Teig für den selben Tag vorgesehen ist, nimmt man eben jene acht Gramm, für den Tag darauf reichen vier Gramm. Beim Pizzateig scheinen Liebe und Tradition auf exakte wissenschaftlich-mathematische Kurven zu treffen.

Die Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer haben im Anschluss die Möglichkeit, aus bereits fertigem Teig ihre perfekte Pizza Napoletana zu formen und final zu backen. Dafür wird er mit den Fingerspitzen in Form gezogen und durch ‘schiaffo’, einem Klaps, ausgedehnt. Der Lehrer erklärt: „Jetzt könnte man noch maximal einmal den Teig in der Luft kreisen lassen, bloß nicht mehr. Den Teig von Pizzaartisten, die ihn ewig durch die Luft fliegen lassen, kann man für eine Pizza vergessen, der ist praktisch ausgeleiert.”

Was man vergeblich im Pizzateig sucht, ist Olivenöl, wie es beispielsweise im Rezept einer Pizza Romana üblich wäre.

Verschiedenes Verständnis

Dario Mosconi erläutert: „Es gibt weltweit 1500 Arten Pizza zu backen. Die erste dokumentierte Pizza findet man beim altpersischen König Darius dem Großen um 500 vor Christus. Das Wort Pizza selber bedeutet ‚gedrücktes Brot‘. Im Portugiesischen findet man noch das Verb pizar, das ‚drücken‘ bedeutet.” Auch die Pizza Napoletana ist für ihn ein nicht eindeutiges Produkt: „Wenn man die Pizzas der zehn besten Restaurants Neapels miteinander vergleichen würde, fände man Unterschiede in der Ausführung, alleine was die Knusprigkeit betrifft. Die klassische ‚old school‘ Pizza Napoletana hat einen Durchmesser von 22-28 cm, einen weichen fluffigen Rand und besticht vor allem in der Mitte durch ihre Saftigkeit. Das zeitgenössische Verständnis einer Pizza Napoletana ist dagegen wesentlich größer im Umfang, knuspriger und mit trockenem Belag. So würde man sie vor allem auch im Ausland bekommen.”

Die Pizza Napoletana hat seit 2010 das Siegel der geschützten traditionellen Spezialität, das das Herstellungsverfahren der neapolitanischen Pizzabäcker schützt. Seit 2017 steht die Pizza Neapoletana auf der Liste des immateriellen Weltkulturerbes der UNESCO.

Eine fertige Pizza des Workshops frisch aus dem Ofen.
Die fertige Pizza kann sich sehen und schmecken lassen.
Foto: Make Pizza Academy

Ananas mit Lakritze

Aus aktuellem Anlass kommt Pizza Hawaii zumindest im Gespräch auf den Tisch. War sie bis vor kurzem noch absolutes No-Go in Italien, so wurde jetzt dieses Tabu durch Italiens besten Pizzabäcker Franco Pepe gebrochen, der sie als ‘Pizza Ananascosta’ auf die Karte brachte, mit rohem Schinken und Lakritzpulver. Der Name zieht die Wörter Ananas und Nascosta zusammen, was ‚versteckt‘ bedeutet, weil die frischen Ananasstücke in den Rand eingeschlagen sind.

„Hier sprechen wir von einer High-End-Gourmet-Pizza. Das muss man auch sehen: Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sich die Pizza von einem Armeleuteessen in den 50er Jahren über die vereinheitlichte Massenproduktion der 80er Jahre zu einem personalisierten, handwerklichen Produkt. Der Pizzabäcker von heute versteckt sich nicht mehr hinter irgendwelchen Küchentüren, sondern steht prominent mit seinem Ofen vor den Gästen”, meint Dario Mosconi.

Es ginge darum, Stereotype aufzubrechen. Dafür müsse man aber mit den Traditionen vertraut sein, um diese weiterzuentwickeln. Ob es typische Unterschiede zwischen einer Pizza in Deutschland und in Italien gäbe? Dario Mosconi schaut seinen Koch an: „Die Deutschen überfrachten ihre Pizza gerne mit Extras, die auch nicht unbedingt optimal zusammenpassen. In Italien wird die Einfachheit einer Pizza bevorzugt, bei der die einzelne Zutat, wie etwa die Tomate aus Süditalien, perfekt zur Geltung kommt.”

Artikel-Teaserbild (oben): FV Photography – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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