Dass wir in Deutschland und Europa bedenkenlos unser Essen verzehren und genießen können, liegt nicht zuletzt am verpflichtenden System zur Überwachung der Lebensmittelsicherheit, das von den Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleuren regelmäßig geprüft wird. Zum Tag der Lebensmittelsicherheit reden wir mit deren obersten Vertreter Maik Maschke.
Am 7. Juni ist der Welttag der Lebensmittelsicherheit. Er soll darauf aufmerksam machen, wie Risiken im Umgang mit Nahrung verhindert, erkannt und bewältigt werden können. Maik Maschke ist nicht nur seit über 20 Jahren Lebensmittelkontrolleur, sondern auch Bundesvorsitzender des Bundesverbands der Lebensmittelkontrolleure Deutschlands e. V. (BVLK). Direkt zu Beginn des Gesprächs stellt er klar: „Für die ständige Prüfung der Sicherheit der Lebensmittel sind die Lebensmittelunternehmen von den Herstellenden über den Handel bis hin zur Gastronomie selbst verantwortlich.“ Deren strenge Eigenkontrollen überprüfen dann wiederum die Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure.
Punkt für Punkt
Rund 2.500 Angestellte sowie Beamtinnen und Beamte im öffentlichen Dienst besuchen unangekündigt die über 1,2 Millionen Betriebe in genau vorgegebenen Abständen entsprechend der behördlichen Risikobeurteilung. Ziel dabei ist das Abklopfen der jeweiligen etablierten Systeme der Rückverfolgbarkeit, der Gefahrenanalyse und der Qualitätskontrolle, was zusammengefasst als HACCP (hazard analysis and critical control points) bezeichnet wird. Übersetzt ist dies das betriebliche Eigenkontrollkonzept, das kritische Lenkungspunkte identifiziert. Die Häufigkeit der Besuche richtet sich zum einen danach, was das jeweilige Unternehmen produziert und wie sensibel diese Produkte sind und zum anderen nach der Menge an kritischen Punkten. Punkte sind in diesem Fall auch wörtlich zu nehmen. Der Experte für Lebensmittelsicherheit Maschke erklärt: „Pro kritischem Kontrollpunkt gibt es null bis fünf Punkte, wobei null sehr gut ist und viele Fünfen die Schließung nach sich ziehen könnte. Insgesamt könnte ein Unternehmen so 200 Punkte kassieren.“ Je höher die Punktzahl liegt, umso häufiger kommt der unangekündigte Besuch der Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure. Aber obwohl der Besuch unangekündigt erfolgt, besteht bei gravierenden Situationen, wie etwa einem Todesfall im Betrieb oder einer momentan übermäßigen Arbeitsbelastung die Option, den Termin einvernehmlich zu verschieben und bald wiederzukommen.
Foto: BVLK
Hätt‘ ich dich heute erwartet, …
„Ein Getränkehändler benötigt aufgrund der Unbedenklichkeit lediglich alle drei Jahre einen Kontrollbesuch, während beispielsweise beim Gammelfleischskandal vor ein paar Jahren das betroffene Fleischwerk wöchentlich besucht wurde“, so Maschke. Untersucht und beurteilt werden:
- die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Bestimmungen
- die materiell-technischen Ausstattungen
- die Rückverfolgbarkeit der Produkte
- die allgemeine Hygiene inklusive Reinigung und Desinfektion.
Dafür wird zum Beispiel neben der Personalhygiene, die Sauberkeit von Arbeitsbereichen und Fußböden inspiziert, das Schädlingsmanagement geprüft, Kühltemperaturen – etwa an Tiefkühltruhen – gemessen oder im Gastronomiebereich unter anderem die Qualität des Frittierfetts bestimmt.
„Die Beanstandungen und Auflagen kommen in den Kontrollbericht und sollen dann beispielsweise innerhalb von 14 Tagen behoben werden. Wir versuchen immer mit den Herstellern gemeinsame Lösungen zu ermitteln – im Sinne des Verbraucherschutzes, aber mit Rücksicht auf den Herstellenden. Wenn nun ein Waschbecken defekt ist, aber der Wechsel kurzfristig nicht möglich ist, berücksichtigen wir auch dies“, räumt Maik Maschke ein.
Fotos: BVLK
Die Wahl der Waffen
Im Ernstfall liegt aber ein umfangreicher Maßnahmenkatalog vor, von Bußgeld und Strafoptionen bis hin zur Schließung bzw. Teilschließungen. Der Einzelhandel sei aufgrund seiner Beschaffenheit relativ sicher, Lebensmittelhersteller werden sowieso häufig kontrolliert, aber 42 Prozent aller Mängel finden die Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure in der Gastronomie. Wenn in einem Restaurant beispielsweise Mängel vorliegen, die den Küchenbetrieb nicht weiter ermöglichen, so muss im Zweifelsfall nicht das gesamte Restaurant geschlossen werden, wenn beispielsweise der Schankbereich einwandfrei ist oder verpacktes Eis am Stiel verkauft wird. „Dann wird gerne von technischer Havarie gesprochen. Am meisten befürchten die Herstellenden die öffentliche Rufschädigung“, gibt der Fachmann zu bedenken.
Wenn also beispielsweise in einer Käserei eine mikrobiologische Beanstandung wie Listerienbefall in einer Planprobe von einem Rohmilchkäse festgestellt werden würde, dann würde das zu einer Untersagung der weiteren Herstellung führen, bis ein privater Sachverständiger die Listerienquelle festgestellt und beseitigt hat. Die Planprobe wird im Vergleich zur Verdachtsprobe im Rahmen der behördlichen Vorgaben auf jeden Fall genommen, während die Verdachtsprobe nur im Zweifelsfall bei der Überprüfung entnommen wird.
Foto: BVLK
Ehrliches Miteinander
Das heutzutage vermehrt Aufrufe zur Produktrückgabe veröffentlicht werden liegt laut Maschke zum einen an neuen Untersuchungsmethoden der Behörden aber auch am Selbstverständnis der Lebensmittelherstellenden, die früher aus Angst vor Imageproblemen sich möglicherweise eher bedeckt hielten. „Heutzutage stehen die Produzentinnen und Produzenten im Dialog mit den aufgeklärten Verbraucherinnen und Verbrauchern, die die Sachlage einzuordnen wissen. Man baut mit Transparenz auf ein ehrliches Miteinander. Gerade mit moderner Technologie, die oft auf geschlossene, vollautomatische Systeme setzt, sind Fehler und Schwächen weiterhin nicht ausgeschlossen, dass beispielsweise ein Sensor Fremdpartikel nicht erfasst.“
Während Online-Seiten wie https://www.lebensmittelwarnung.de, die mit den Rückrufaktionen im deutschen Supermärkten gekoppelt sind, Teil dieser Transparenzstrategie sind, steht der Bundesvorsitzende des BVLK Instrumenten wie einem Online-Pranger oder der Hygieneampel „nicht ablehnend, aber sehr kritisch gegenüber“. Er konstatiert: „Die Forderung mancher NGOs sämtliche Prüfberichte online zu stellen, bietet meiner Meinung nach keinen Mehrwert, sondern bedeutet vielmehr Desinformation durch Überinformation.“ Er sieht die praktische Mundpropaganda und Schließung durch Behörden als weitaus wirkungsvoller. Hinzu kommt sein Kritikpunkt: „Der Bundesverband tritt keinem Flickenteppich bei, weil die Lebensmittelkontrolle Ländersache ist und man in Deutschland diesbezüglich 17 Zuständigkeiten vorfindet. Dies würde zu einem Ungleichgewicht zwischen den Ländern führen.“ Gebraucht werden würde viel mehr ein europaweites Reglement. Stattdessen sei die Berufsordnung 21 Jahre alt, weil sich Bund und Länder bisher nicht einigen konnten.
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Nachwuchssorgen
Die populäre Forderung nach engmaschigeren Kontrolle der Lebensmittelsicherheit wird durch die personelle Anspannung konterkariert. „In Deutschland arbeiten 2.500 Lebensmittelkontrolleurinnen und -kontrolleure, man sagt, dass ungefähr 1.500 Personen fehlen. Auch die Nachwuchsförderung ist ausbaufähig.“ Die zweijährige Ausbildung besteht bundesweit aus sechs Monaten theoretischer Lehre an einer der vier Akademien und 18 Monaten praktischer Ausbildung in den Ämtern. Hier liegt das Problem, weil zu wenig Ausbildungsstellen bei den Ämtern geschaffen werden. Vor der Ausbildung sollten die Jugendlichen eine Meisterausbildung oder ein technisches Studium abgeschlossen haben. Lebensmittelkontrolleurin bzw. Lebensmittelkontrolleur ist ein Beruf, den man lieben muss, da er vergleichsweise niedrig vergütet wird. „Eigentlich müsste die Arbeit als gehobener und nicht technischer Dienst bewertet werden. Nach Lebensmittelskandalen wird seitens der Politik unsere Arbeit emporgehoben, aber bislang sind das alles nur Lippenbekenntnisse“, meint der Bundesvorsitzende. Trotzdem schwärmt er für seinen Beruf: „Ich arbeite gerne im Dienst des Verbraucherschutzes, die Arbeit ist abwechslungsreich und man lernt stets was dazu.“
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