Erdbeeren in Pappschälchen

So wild nach Erdbeeren

Der Wonnemonat Mai macht Appetit auf eine der ersten frisch geernteten Obstsorten im Jahr – die Erdbeeren. Lebensmittelmagazin.de ist zum Saisonauftakt bei Karls, Deutschlands größtem Erdbeeranbauer, zu Besuch.

Erdbeerdorf ≠ Erlebnisdorf

Mit Erdbeersecco und -brause stieß Robert Dahl, Geschäftsführer von Karls, zusammen mit seinen Gästen auf die neue Erdbeersaison auf dem Erdbeerhof in Rövershagen an. Die Party fand aber nicht, wie man vermuten könnte, zwischen Achterbahn, Riesenrutsche und Einkaufshalle statt. Auch wenn viele Besucherinnen und Besucher der Freizeitparks stets von „Karls Erdbeerhof“ sprechen, heißen diese aber tatsächlich „Karls Erlebnisdorf“ und bestehen unabhängig von der seit über hundert Jahren alten Landwirtschaft. Sechs Erlebnisdörfer gibt es deutschlandweit. Das letzte wurde erst Ende März im sächsischen Döbeln eröffnet.

Den echten und einzigen Karls Erdbeerhof findet man hingegen nur in Rövershagen. Hier wachsen Karls Erdbeeren und hier werden sie verarbeitet, zum Beispiel zu Marmelade. Um zum Hof zu gelangen, läuft man an den Unterkünften der Erntehelfer und Erntehelferinnen vorbei. Diese wurden im Rahmen der Corona-Maßnahmen aufwändig modernisiert und erweitert. Unweit davon befinden sich der Fuhrpark mit seiner Elektroflotte sowie die Lager- und Produktionshallen.

Beständigkeit in der Veränderung

Grund zum Feiern hat Geschäftsführer Robert Dahl: Der Erdbeerhof sieht sich zwar, wie viele andere landwirtschaftliche Produktionsstandorte auch, nicht nur dem klimatischen, sondern auch dem demografischen Wandel gegenüber. Aber nach größeren Umbaumaßnahmen schaut Karls auf eine positiv verlaufende sukzessive Transformation des Betriebs. 

1992 begann der Bauernhof mit dem Anbau von zwei Erdbeersorten „Honeoye” und „Elsanta” auf zehn Hektar Land. Der Erntestart war stets am 5. Juni und die Saison dauerte nur 28 Tage. Heute erstreckt sie sich auf 200 Tage, also etwa sieben Monate. Gepflanzt werden unterschiedliche Erdbeersorten, sogenannte Remontierer, die nicht nur einmal Früchte tragen, sondern innerhalb einer Saison mehrmals.

Menschliches Problem

Eine der größten Herausforderungen ist für den Landwirt die Personalentwicklung bei den Erntehelferinnen und -helfern, was nicht nur an der Mindestlohnsteigerung von über 30 Prozent innerhalb der letzten drei Jahre liegt. Robert Dahl erklärte: „Vor dem russischen Angriffskrieg kamen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem aus der Ukraine. Aber die Männer müssen zum Dienst an die Waffe und viele der Frauen bleiben aus verschiedenen Gründen ebenfalls im Land. Heute kommen sie vor allem aus Rumänien. Länder wie Polen haben inzwischen den wirtschaftlichen Aufschwung erlebt und genießen ähnlichen wirtschaftlichen Standard wie hier in Deutschland. Für sie lohnt es sich nicht mehr, für die Ernte nach Deutschland zu fahren. Ähnliches wird in Ländern wie Rumänien in absehbarer Zeit ebenfalls passieren und auch die Ukraine wird hoffentlich bald nach Kriegsende und Wiederaufbau florieren.”

Strecke statt Fläche für mehr Erdbeeren

Für ihn bedeutet es, mittel- bis langfristig mit weniger Erntehelfern auszukommen. Seine Lösung hierfür präsentierte er während der Feierlichkeiten zum Saisonauftakt auf der „Erdbeer-Safari”.

Erdbeer-Safari
Fotos: © Karls

Mit Traktoren wurden die Gäste im Planwagen über die Plantage gezogen, während Robert Dahl das neue Konzept beschrieb: Karls hatte zu Spitzenzeiten 430 Hektar Land mit Erdbeeren bewirtschaftet. Diese Angabe funktioniert heute nicht mehr, denn die neue Maßeinheit sind Meter, da die Erdbeeren mittlerweile auf Stellagen angepflanzt werden. Bereits rund ein Drittel der Gesamtfläche von 175.000 Metern sind mit diesen Stellagen belegt. Das sind Rinnen auf Hüfthöhe, in denen die Erdbeerpflanzen stehen. Pro Meter lassen sich laut Erdbeerchef zehn bis 14,5 Kilogramm ernten. Die Früchte können frei runterhängen und dabei bequem und effizienter abgeerntet werden, als in der klassischen Freilandzucht, wo die Erdbeerpflanzen in Dämmen angebaut werden. „Selbst Sie als ungeübte Erntehelfer würden so ca. 20 Kilo pro Stunde schaffen”, scherzte der Gastgeber mit seinen Gästen. 

Erdbeeren in Stellagen

Erdbeer-Stellagen in Folien-Tunneln
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Scheinbar endlose Folientunnel schützen die Pflanzen vor der Witterung. Zwar wären die Stellagen mit ihrem Überbau eine immense Investition gewesen, aber so seien die Ernten für die voraussichtlich nächsten 30 Jahre weiterhin zu kontrollieren. Lediglich die Folien müssten alle sieben Jahre erneuert werden, erzählte der Geschäftsführer.

Das schlägt sich auch in der Ökobilanz der Erdbeeren nieder, die weitaus besser ist, als die der Freiland-Erdbeeren. „Wir verbrauchen weniger Wasser pro Kilo produzierte Erdbeeren. Außerdem können wir weitestgehend auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln verzichten”, erklärte Robert Dahl. Die Rinnen werden über Tropfschläuche mit Nährstoffen und Wasser versorgt. Dieses stammt aus der hofeigenen Zisterne mit 300.000 Kubikmeter Wasser, das in der kalten Jahreszeit angesammelt wurde und so den Hofeigentümer entspannt auf die heißen Sommermonate blicken lässt. Noch sah man nur hier und dort erste grüne Früchte. Die Hummeln flogen und bestäubten die Blüten. Gegen potentielle Schädlinge wie Spinnmilben und Thripse lauern als biologische Alternative Raubmilben zwischen den Pflanzen. 

Schade, schade, Marmelade

Am Tag der Feier war es erst der fünfte Tag der Ernte. Noch war die Ausbeute überschaubar, sodass das halbe Pfund für 3,30 Euro verkauft wurde. Sobald mit den sommerlichen Hitzewellen nicht nur der Preis runtergeht, etwa auf 7,50 Euro das Kilogramm, sondern auch die Erntemenge den Tagesbedarf an verkauften Erdbeeren übertrifft, wird es Zeit für eine weitere Spezialität des Hauses. „Wir frieren für unsere Marmeladenproduktion etwa 1.200 Tonnen Erdbeeren pro Jahr ein. Zum Teil ernten wir die Erdbeeren bereits entkelcht extra für diesen Zweck. Zum Teil nutzen wir die Erdbeeren, die in den Ständen nicht verkauft wurden. Diese werden dann maschinell im Anschluss entkelcht und tiefgefroren. So können wir dann das ganze Jahr aus tiefgefrorenen Erdbeeren Marmelade kochen”, erzählte der Erdbeerexperte.

Marmeladen-Produktion
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Interessanterweise wird diese nicht in großen Kesseln zubereitet, sondern wie am heimischen Herd in haushaltsüblichen Töpfen, eben nur als Batterie von zwölf Stück nebeneinander: „Wir haben festgestellt, dass die Erdbeermarmelade in großen Töpfen länger zum Aufkochen braucht und dadurch an Geschmack verliert. In kleinen Töpfen bleibt der besondere Geschmack wie bei einer selbstgekochten Marmelade erhalten, zumindest glauben wir daran”, zwinkerte der Erdbeerchef.

Shop in Karls Erdbeerhof
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Die Rückkehr der Riesen-Erdbeeren

Die Herausforderung, Personal zu finden, beschränkt sich nicht aufs Feld alleine. Denn Karls Erdbeeren findet man abgesehen von eigenen Shops nicht im Lebensmitteleinzelhandel. Jedes Jahr im Frühling ploppen in den Städten Nord- und Ostdeutschlands die 450 auffälligen Riesenerdbeeren an allen erdenklichen Straßenecken auf. Um quasi allen Mitarbeitenden bestmögliche Flexibilität zu eröffnen, bietet Karls jetzt die selbstentwickelte Personaleinsatzplanungs-App Pep an. Diese hilft den rund 2.000 Verkäuferinnen und Verkäufern an den Erdbeerständen für die optimale Abrechnung und Planung: Sei es mit einem digitalem Konto für den individuellen Verdienst oder zur Einzahlung der Tageseinnahmen bei benachbarten Partnerfilialen, wie beispielweise Supermärkten oder Drogerien.

Eingang zu Karls Erdbeerhof, mit kleinem Häuschen in Erdbeerform
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Übrigens, die Idee für die besonderen Erdbeerstände kam dem Besitzer von Karls bei einem London-Aufenthalt, als er in Wimbledon einen erdbeerförmigen Verkaufsstand für Erdbeeren mit Schlagsahne erblickte.

Artikel-Teaserbild (oben): Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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