Es grünt so grün, wenn Grüne Woche grünt 

Die Messe Berlin öffnet die Tore zum regionalen wie internationalen Stelldichein der Lebensmittelproduzenten. Lebensmittelmagazin.de besuchte die Highlights der Grünen Woche 2025.

Dieses Wochenende haben Besucherinnen und Besucher noch die Möglichkeit, die Grüne Woche zu erkunden. Ob man dabei die Spezialitäten aus allen Ecken und Enden der Bundesrepublik kosten möchte, oder Köstlichkeiten aus aller Welt entdecken will, oder aber auch Lebensmittel-Neuheiten, die hier auf der Messe zum ersten Mal von Verbraucherinnen und Verbrauchern probiert werden können – Gründe gibt es genug, über die Lebensmittelmesse in Berlin zu bummeln.

Willkommen im Schlangenjahr

Wenn das nicht Hoffnung und Optimismus weckt: Der holländische Snack-Hersteller Mitsuba am Eingang der Streetfoodhalle nimmt bereits jetzt das nächste Woche bevorstehende chinesische Neujahr der Holzschlange mit Knabbereien mit Beef-Nudel- oder Kokos-Saté-Geschmack vorweg. Die Holzschlange steht für bedächtige aber kraftvolle Innovationen – das können alle gebrauchen.

Weniger zukunftsorientiert, eher eine Reminiszenz an das 17. Jahrhundert, bietet der Abacaty Cream Liqueur. Cremig aber vegan passt der Avocado-Likör hervorragend zum Zeitgeist, andererseits eine schöne Hintergrundinformation, dass die Bezeichnung Advocaat für Eierlikör sich vom alkoholischen Getränk Abacate der brasilianischen Ureinwohner ableitet. Da die Avocados damals auf dem Seeweg nach Europa verdarben, imitierten die Kolonialisten das Getränk mit Rum, Rohrzucker und Eigelb, et voilà, unser Eierlikör.

Abacaty Cream Liqueur: Veganer Avocado-Likör mit Geschichte
Fotos: Johannes – Lebensmittelmagazin.de

Zum Aufessen niedlich!

Apropos Seeweg, der Waschbär schaffte es über den Atlantik und wurde in den 30er Jahren zur Bereicherung der hiesigen Natur ausgesetzt. Allerdings entwickelte sich das süße, possierliche Tier in Ermangelung natürlicher Feinde wie Wölfe oder Bären zur fiesen, kleinen Killermaschine, die mit unbändigem Appetit der heimischen Fauna, Reptilien, Amphibien, Vögel sowie kleine und junge Säugetiere auf den Pelz rückt. Michael Reiß von der Wildererhütte in Kade, nahe der sachsen-anhaltinischen- brandenburgischen Grenze hat da eine Lösung und macht aus den kleinen Rackern Hackbällchen, Würstchen, Wurst im Glas, Soljanka und vieles mehr. In der Saison 2022/23 belief sich die Jahresstrecke von Waschbären auf 202.519 erlegte Tiere in Deutschland. Michael Reiß gibt zu bedenken: „Damit wird man noch nicht einmal Herr über die Vermehrungsquote.” Aber immerhin, ein Anfang und eine Möglichkeit. Die direkt vor Ort gegrillten Waschbär-Würstchen wurden auch neugierig und positiv angenommen. Die abends getesteten Waschbärbällchen waren einerseits hervorragend genießbar, erfuhren andererseits polarisierende Reaktion. Schuld könnte Meeko von Disneys Pocahontas sein, es bleibt noch viel Marketingarbeit.

Ähnliches Konzept „was stört, landet in den Mixer” bietet der Unkrauttrunk von Lienig Wildfruchtverarbeitung aus dem Spreewald. Unkraut, politisch korrekt Beikräuter, die normalerweise die Gärtnerinnen und Gärtner unerfreulicherweise zum Jäten auf die Knie zwingen, werden hier gesammelt. Und so landen Extrakte vom Giersch, Schafgarbe, Löwenzahn und Co. als hauseigener Extrakt in die Apfelschorle bei der nächstgelegenen Brauerei Fürstlich Drehna. Es ist erfrischend, schmeckt spannend und macht bestimmt schön.

Unkrauttrunk von Lienig: Erfrischendes Getränk aus Beikräutern
Fotos: Juri – Lebensmittelmagazin.de

Oh Tannenbaum

Dass ein Weihnachtsbaum so viel mehr ist, als ein mittelfristiger Staubsaugerbeutel füllender Dekorationsartikel zur Weihnachtszeit, demonstrieren die Damen am Strand von Lieblingstanne in der Niedersachsenhalle. Abgesehen davon, dass man auf dem Hof in der Weihnachtszeit selber seinen Baum fällen kann, bietet das Unternehmen hier ein breites Spektrum kosmetischer sowie kulinarischer Angebote. Ob als Pesto, Senf oder floral-süß als Gelee, bei Getränken als Tee bzw. aromatisierten Tee und als Spirituosen in Form von Gin, Whiskey, Likör und vielem mehr.  So hat man noch nach Weihnachten Freude am Baum.

Das Thema „Algen” ist auch auf der Grünen Woche vertreten. Am schwedischen Stand präsentierten Gaëtan Zackrisson und Alexander Klimt von Möja Fisk ihren Zuckertang, den sie als japanisches Tischwürzmittel „Furikake” und als Knäckebrot den Neugierigen zum Probieren anboten. Ihre Nordic SeaFarm an der schwedischen Westküste baut die Makroalgen bereits seit acht Jahren erfolgreich an. Dafür impfen sie Seile mit den gewünschten Algensporen, die dann verankert im Meer wachsen und gedeihen. Die Seile müssen laut den Algenbauern alle zwei bis fünf Jahre ersetzt werden. Aber super, hier ist ein erfolgreiches Beispiel für maritime Lebensmittel der Zukunft. Gerade die skandinavische Halle überraschte dieses Jahr mit einigen Highlights wie diesem.

Alexander Klimt und das Team von Möja Fisk
Fotos: Juri – Lebensmittelmagazin.de

Läuft bestimmt im Oat-verrückten Berlin: Schwarze Haferflocken von Korvalaanen Oy aus Finnland. Dabei sind nicht die Haferflocken selber Berghainmäßig schwarz, sondern die Körner. Dabei handelt sich nämlich um eine Urform des Hafers, die beim Verkosten sehr gut ankam. Einmal aufgequollen, haben die schwarzen Haferflocken nicht nur einen angenehm nussigen Geschmack, sondern auch eine schöne Textur – nicht total matschig aber man kaut sich auch nicht zu Tode, wie sonst schon mal. Es ist halt schon die etwas exklusivere Variante.

Schoko geht mit allem

Subjektiv betrachtet ist die Chocolat Chanterelle von Kirsi’s Chocolates aus dem südlichen Finnland kulinarisches Highlight der Grünen Woche. Als Beweis dafür, dass beim Food Pairing wirklich alles miteinander kombinierbar ist, strapaziert diese Schokolade das Wort Süßigkeit bis an dessen Grenzen. Zuerst spürt man beim Abbeißen die Pergamentstruktur des gefriergetrockneten Pfifferlings zwischen den Zähnen krachen. Dann schmilzt langsam die 70-prozentige peruanische Bio-Schokolade, die obendrein vegan ist und Fairtrade, wie Chocolatière Kirsi Hyytiäinen anmerkt. Der Geschmack ist warm und erdig und durch die mineralischen Sprengsel Himalaya-Salz liegt der Gedanke an dunklen Waldboden vor dem inneren Auge recht nahe. Die Zartbitter-Schokolade wirkt adstringierend und der sich ansammelnde Speichel lässt die Pfifferlingstückchen in der Schokolade aufquellen. „Boom” macht diese Umami-Bombe und füllt den ganzen Mund mit Pilzgeschmack. Ja, das ist keine Schokolade um sie beim Tatort-Schauen nebenbei zu essen. Aber so als Abschluss eines herbstlich-winterlichen Menüs, mit Kastaniensuppe vorneweg, Wildfleisch mit Nüssen, Beeren und Wurzelgemüse und dazu dann ein Kräuterschnaps mit so einer Praline davon, das wäre perfekt. 

Auf der Internetseite von Kirsi Hyytiäinen erfährt man dann auch, dass sie 2023 von der Londoner Academy of chocolate mit Bronze für eine Bienenpollen-Schokolade ausgezeichnet wurde. Was man auch bedenken sollte: Überall wird jetzt nach Kakao-Alternativen gesucht aufgrund der steigenden Rohstoffpreise. Umso wichtiger ist es, Schokolade wieder als kostbares Produkt richtig und innovativ zu inszenieren und als das zu präsentieren, was es ist – ein besonderer Genuss.

Zitronen aus dem Norden

Nicht nur Schokolade, auch Zitrusfrüchte drohen durch Unwägbarkeiten und Spekulationen mit Preis-Tsunamis. Das sympathische Vater-Sohn-Gespann von OmiOpi aus Schweden präsentiert Zierquitten, die „nordischen Zitronen” als Alternative zu Zitronensaft in der Küche. Sohn Alexander weist auf das Nährstoffprofil hin: „Zierquitten haben die zehnfache Menge an Vitamin C und den Antioxidantiengehalt vergleichbar mit Blaubeeren.” Besucherinnen und Besucher haben ihm bestätigt, dass auch hier in Berlin Zierquitten gängiges Ziergehölz als Gebüsch ist, in Parks und Gartenanlagen. Er bestätigt aber, dass allein schon der Name „Zierquitte” die Menschen davon abhalte, dessen Früchte zu verarbeiten, man denke dabei an Zierkirschen, Zierapfel oder auch Zierkürbis, die alle durch die Bank weg nicht zum Verzehr geeignet sind. Zierquitten sind im Übrigen nicht mit den handelsüblichen Quitten zu verwechseln, die zwar auch zubereitet werden müssen, bevor man sie essen kann. Sie unterscheiden sich aber deutlich in Größe und Säuregehalt und im Übrigen wachsen sie auf Bäumen, während die Zierquitte eben von einem hübschen Busch stammt. Alexander erklärt: „Zierquitten sind roh ungenießbar, zu hart und auch zu bitter. Am besten legt man sie über Nacht ins Eisfach dann kann man sie am nächsten Tag wie Zitronen mit der Hand auspressen.” Das ist nachvollziehbar, die Eiskristalle vom Wasser in der Frucht zerstören die robusten Zellwände. Außerdem würden einige Bitterstoffe so neutralisiert werden. Und wie schmeckt das Ganze? Ihr Saft duftet rosig und etwas nach Apfel, eben wie handelsübliche Quitte. Beim Trinken zieht sich im Mund dafür alles zusammen, ähnlich wie Zitronensaft. Die Säure ist also vergleichbar. Auch die Limonade davon ist erfrischend lecker, eben mit einer klitzekleinen Apfelnote, die aber eher gut als störend ist. Es gibt eine Stelle in Berlin-Mitte, wo diese Büsche wachsen. Der Whisky Sour mit Zierquitte ist für nächsten Spätsommer im Kopf abgespeichert.

OmiOpi: Erfrischende Produkte aus Zierquitten
Fotos: Johannes – Lebensmittelmagazin.de

Jetzt lohnt es sich aber noch, die restlichen zwei, drei Tage zu nutzen um einen Bummel über die Grüne Woche zu machen, es gibt viel zu entdecken!

Artikel-Teaserbild (oben): Tobias Rücker

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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