Bei den Kaaskoppen: Gouda 

Wenn man an Holland denkt, kommen einem vielleicht zuerst Tulpen, Haschkekse, Wohnwagen und natürlich Käse in den Sinn – allen voran der weltberühmte Gouda, der auf internationalen Käseplatten und Hotelfrühstücksbuffets längst heimisch ist. Lebensmittelmagazin.de hat die Stadt besucht, die diesem Käse seinen Namen gab.

Kaum ist das Carillon der Sint Janskerk um zehn Uhr morgens an diesem sommerlichen Donnerstag verklungen, richten sich sämtliche touristischen Mobiltelefone auf die Mitte des Marktplatzes. Landwirtinnen und Landwirte in traditioneller Tracht feilschen mit Käsehändlerinnen und -händlern und Pferdegespanne transportieren die großen, runden bis zu 16 Kilogramm schweren Laibe, die über den Platz hinweg wie große goldene Autoreifen in Reih und Glied gestapelt sind. 

Markt am Rathausplatz von Gouda
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Die Milch macht‘s

Über Jahrhunderte hinweg war Milchwirtschaft die landwirtschaftliche Haupteinnahmequelle in der Region. Zur Weidehaltung von Kühen ließen die torfigen Böden wenig Alternativmöglichkeiten an Ackerbau zu. Das damals schon vorhandene Knowhow zur Käseherstellung bot hierfür die beste Möglichkeit zur Veredelung und Haltbarmachung der Milch. Die erste urkundliche Erwähnung lässt sich 1184 nachweisen, womit Gouda – natürlich noch nicht unter diesem Namen – zu den ältesten Käsesorten der Welt gehört. 

Die Stadt Gouda selbst geht zurück auf den Beginn des ersten Jahrtausends nach Trockenlegung der hiesigen Sümpfe und wurde benannt nach dem lokalen Fluss Gouwe. 1395 entstand zwar der Markt am Rathausplatz von Gouda; dieser stand aber in Konkurrenz zu den Märkten der benachbarten Städte wie Stolwijk und Schoonhoven. Erst 1549 erhielt Gouda nach einem Rechtsstreit gegen das benachbarte Schoonhoven die exklusiven Handelsrechte für den Käse, der erst durch dieses Handelsmonopol seinen Namen erhielt.

Markt am Rathausplatz von Gouda
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Per Handschlag 

Nicht ganz so alt ist die Waage von Gouda, gegenüber der Sint Janskerk. Der niederländische Architekt Pieter Post baute das Gebäude 1668, also in der kulturellen wie wirtschaftlichen Blütezeit Hollands, das auch als goldenes Zeitalter bekannt ist. Im Inneren des Gebäudes hängt eine stattliche Balkenwaage, stabil genug, bis zu sechs Käselaibe gleichzeitig zu wiegen. Auf der Fassade dieses Waagehauses prangt prominent ein Relief des flämischen Bildhauers Bartholomeus Eggers, in dem sich der Käsehandel zwischen den Bauern der umliegenden Dörfer und den lokalen Käsehändlern abspielt: mit Käsewiegen und Preisfeilschen. 

Genau wie auf dem Relief zeigt sich auch heute das Spektakel für Besucherinnen und Besucher aus aller Welt. Käsehändlerinnen und –händler in weißen Kitteln und Bäuerinnen und Bauern in holländischen Trachten, Haube und Holzclogs inklusive, debattieren über den Käsepreis. Rhythmisch begleitet wird dies vom „Handjeklap”: man schlägt in die Hände und nähert sich jeweils lautstark mit dem Preisvorschlag einander an. Das erinnert ein bisschen an Begrüßungsrituale unter „Bros“.

Um das Schauspiel herum bauen Handelnde und Landwirtinnen und Landwirte ihre Stände auf, auf denen natürlich vor allem Gouda angeboten wird. Nicht nur der klassische Gouda liegt aus, je nach Reifegrad zwischen Jung und milchig-mild bis gereift und herzhaft-kräftig: man findet auch ein breites Spektrum aromatisierter Gouda-Kreationen mit allem Erdenklichen, von Gouda mit Chili, italienischen Kräutern, Bärlauch und vielem mehr. 

EU-Schutz

Was man allerdings schwerlich findet, ist Gouda mit EU-Schutzsiegel. Seit 2010 sind nämlich „Gouda Holland g.g.A.“ und bereits seit 1996 „Noord-Hollandse Gouda g.U.“ geschützt. Das garantiert seine Herkunft aus den Niederlanden und dessen traditionelle Herstellung. Der Käse wird traditionell aus Kuhmilch hergestellt und reift in der Rinde, oft auf Holzregalen, in den Niederlanden. „Noord-Hollandse Gouda“ wird oft als cremiger, leicht würziger Käse beschrieben, der von der besonderen Milch der Kühe aus der Region Nordholland profitiert. 

Gouda mit EU-Schutzsiegel
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Im Gegensatz zum Goudakäse, der einmal rund um den Globus hergestellt wird, ist der echte Goudakäse eine geschützte Herkunftsbezeichnung. Die Bezeichnung „Gouda Holland“ darf nur Käse tragen, der in den Niederlanden aus niederländischer Milch hergestellt wurde. „Den finden Sie aber nur auf den umliegenden Bauernhöfen, die ihren Käse aus eigener Milch oft in Handarbeit herstellen oder in besonders exklusiven Käsefachgeschäften”, verrät ein junger Verkäufer am Marktstand. 

Im Gouda-Museum

Nicht nur Touristinnen und Touristen sind verrückt nach dem Käse aller Käse – auch die Menschen in Gouda selbst bekennen sich stolz als Kaaskoppen. Das ist keineswegs eine Beleidigung, wie man sie vielleicht im Ferienstau hinter einem holländischen Wohnwagen vermuten würde, sondern ein liebevoller Ausdruck regionaler Identität.

Am Rand der City, etwa fünf Minuten und drei Ecken vom Marktplatz entfernt, leuchtet einem in goudafarbenen Butterblumengelb die Gouda Cheese Experience entgegen. Das immersive und interaktive Museum rund um den Gouda informiert und feiert den Käse seit 2020 in einem ehemaligen Kino. Besucherinnen und Besucher lernen hier als erstes, wie aus dem gefressenen Gras im Körper der Kuh während des Wiederkäuens biochemisch Milch produziert wird, was in etwa 50 bis 70 Stunden dauert, und haben dann am Ausstellungsstück auch die Möglichkeit, eine Kuh zu melken. Besonders verrückt-fantastisch ist der Aromadiffusor in den Duftrichtungen Silage und Kuhstall.

Außen Gelb, innen Käse: das Museum Gouda Cheese Experience
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de
Ausstellungsraum im Museum über Kühe und Milch
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

In den darauffolgenden Räumen lernt man, wie die Milch weiterverarbeitet wird, wie Goudakäse hergestellt wird, etwa das dicklegen mit Lab und Starterkultur, das Pressen des Bruchs in der Käsepresse zu seiner eigentlichen Form oder das Einlegen in Salzlake. Als Besucher hat man die Möglichkeit, dies hier direkt vor Ort selber an den wirklich tollen Objekten umzusetzen. 

Die Mitarbeiterinnen helfen nicht nur bei weiteren Fragen, sondern verköstigen zwischendurch die Gäste mit kleinen Käsehäppchen auf Tabletts. Selbstverständlich lernt man auch die Geschichte vom Käse und der Stadt kennen, sondern auch das Gouda soviel mehr ist als nur Käse zum Frühstück. Als identitätsstiftendes Kulturgut hat es der Käse immerhin auch auf die Ölschinken alter Meister gebracht. Zur großen Freude gibt es am Ende der Ausstellung eine schöne, stilvolle Verkostung der unterschiedlichen Goudaqualitäten, von jung bis ganz alt. Man möchte danach sofort zum nächsten Käseladen und weitermachen. Übrigens – interessante Information für den nächsten Smalltalk beim Aperitif mit Käsehäppchen: Bei den Kristallen in uraltem Gouda handelt es sich nicht um Salzkristalle wie man meinen könnte, sondern um auskristallisierte Eiweiße, Tyrosin und Calciumlactat.

Dutch Mindset

Was man nicht unterschlagen sollte: die ganze Ausstellung hindurch werden die Besucherinnen und Besucher von einem Ralfie, einem animierten Käsemeister, eingeführt und begleitet. Die Figur und seine Geschichte sind so liebenswürdig und toll gestaltet, dass man davon überzeugt sein könnte, dass er dem Pixar Studio entstammt. Femke van Munster, Gründerin und Direktorin der Gouda experience, schaut ein wenig wehmütig auf ein gerahmtes Foto im Museumscafé: „Ralfie gab es wirklich. Er war der erste unserer Freunde, der an uns bei der Idee zur Gründung dieses Museums glaubte und uns unterstützte. Leider hat er die Eröffnung nach langer Krankheit nicht mehr miterleben können. Umso schöner ist die Tatsache, dass der animierte Ralfie mit seinem waghalsigen Abenteuer die Herzen seiner Besucherinnen und Besucher im Sturm erobert.“ 

Ralfie, der animierte Käsemeister, führt charmant durch die Ausstellung
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Femke van Munster und Mia Schaap können stolz auf ihr Museum als Ergebnis jahrelanger Bemühung und Arbeit sein. 2016 entwickelten die ehemaligen Floristinnen und Unternehmerinnen einen Plan, ihren Traum vom Goudamuseum umzusetzen, verhandelten eigenständig mit Banken, holten sich fachliches Know-how beim Molkereiriesen Campina und schafften es innerhalb weniger Jahre ihren Traum Realität werden zu lassen. 2020 wurde das interaktive Museum eröffnet, unter anderem mit digitalen Tourguide in inzwischen acht Sprachen – ohne staatliche Förderung oder ähnlichem. Dafür gab es letztes Jahr zum wiederholten Mal den Traveler’s choice Award von TripAdvisor. Ihre Motivation? „Everything is fun”, lacht Femke. 

Artikel-Teaserbild (oben): Johannes – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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