Zum Auftakt der Berliner Beer Week lud der amerikanische Gesandte in den Garten seiner Residenz. Lebensmittelmagazin.de tummelte sich zwischen den Craft-Beer-Tastings und gewann eine überraschende Erkenntnis über amerikanische Süßkartoffeln.
Alkoholfrei, aber dafür mit Ananasaroma, das subjektiv mieseste Bier aller Zeiten stand vor mehr als zehn Jahren im Regal eines Supermarkts in Teheran und wurde in einem schäbigen Hotelzimmer getrunken. Zur Verteidigung des persischen Volks: In der Islamischen Republik herrscht offizielles Alkoholverbot, für bessere Qualitäten muss man alternative Kanäle bemühen.
Die ungewohnte Fruchtigkeit des einen oder anderen Craft Bieres am Abend zum Auftakt der Berliner Beer Week erinnerte an diese Erfahrung längst vergangener Zeiten. Die Qualität des Bieres ist hervorragend. Auch der stellvertretende US-Botschafter Clark Price ist voll des Lobes: „In meiner Jugend war das Bier nicht so toll, aber die Kunst des Bierbrauens hat in der Zwischenzeit in den Staaten eine Renaissance erlebt. Immerhin haben mehr als die Hälfte aller Amerikaner einen deutschen Background.“
Wochenlang Bier
Bei der diesjährigen Berliner Beer Week, die zum achten Mal Anfang September stattfindet, ist es den Organisatoren gelungen auch nicht europäische Biermarken einzuladen. Teil der Berliner Beer Week sind neben sechs Brew-Cruise-Bootstouren und über 40 Events auch sogenannte Tap Takeovers, bei denen es in ausgewählten Kneipen andere Biersorten als sonst gibt. So besteht beispielsweise die Möglichkeit erstmals in Deutschland Bier aus North Carolina, Tennessee und Kalifornien zu trinken.
Grund genug, den Auftakt dazu ganz mondän im reizenden Garten des amerikanischen Gesandten zu feiern. Eigens für diesen Anlass kreierte die „Bar Amelie“ den Hoptail (Cocktail auf Bierbasis)„Berlin Horse“ – unter anderem mit Bourbon Whiskey und einem Pale Ale. „Nicht nur die in der Bar ausgeschenkten Biere, sondern auch die Mehrzahl der Spirituosen der Cocktails im Hause sind crafted, also selbst hergestellt“, erklärt der Barkeeper. So gibt es bei ihnen beispielsweise ein Milkshake Bier, zwar ohne Milch aber dafür mit Laktose.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de
Na dann, Prost!
Unter der Leitung von Michael König von Maisel & Friends gab es eine Verkostung von amerikanischem Craft Beer. Zunächst wurde ein leichtes „Fullsteam Southern Basil“ aus North Carolina kredenzt, das laut Maisel ganz im belgischen Stil gebraut sei. Zum Aromatisieren wird Basilikum verwendet, der dem Ganzen aber eher eine Kräuter- als Basilikumnote verleiht. Wie der Profi längst weiß und der Laie schon ahnt: Mit deutschem Reinheitsgebot hat Craft Beer nicht viel zu tun. Muss es ja auch nicht. Es folgte ein „D9“ ebenfalls aus North Carolina, ein Session Beer mit fünf Prozent Alkohol und fruchtiger Mandarinennote. Diese kommt vom sogenannten Hopdump – am Ende des Brauprozesses wird dem Bier noch frischer Hopfen zugeführt. Michael Meisel erklärt: „Während in Deutschland für Bier grundsätzlich Bitterhopfen verwendet wird, werden in dem Vereinigten Staaten die unterschiedlichsten Hopfenvarietäten genutzt, die den Geschmack von Mango, Zitrusfrüchten und vielen mehr mitbringen.“
Während munter die Bierdosen aufploppen und auf die Gläser verteilt werden, stellte der amerikanische Gesandte die Frage in die Runde, warum in Deutschland Flaschenbier bevorzugt werden würde. Beeinflussen Blechdosen etwa den Geschmack? Niemand konnte ihm darauf eine befriedigende Bestätigung oder alternative Erklärung geben, also einigte man sich auf „It’s a german thing linked to recycling“.
Für „Spirit Helper“, dem eigens für die Berliner Beer Week gebrauten Hazy Pale Ale der deutschen Brauereien Fürst Wiacek zusammen mit Maisel & Friends wurde extra Yakima Hops aus Washington verwendet. Im Ergebnis spielte ausdrucksstarke Bitternis mit der biereigenen Süße auf gleicher Höhe.
Foto: Alle Vögel fliegen hoch
Süße Kartoffeln
Apropos süß, der servierte Sweet Potato Pie des Caterers „Humble Pie“ mit Sweet Potatoes aus North Carolina war köstlich. Der Pie blätterte bilderbuchmäßig und die Süßkartoffelcreme spielte mit den Röstaromen des frittierten Süßkartoffelcrunches.
Man sollte es nicht Vorbehalte nennen, aber bei der Ankündigung von North Carolina Sweet Potatoes stellten sich schon die diversen Fragen. Hauptimportländer für Süßkartoffeln in Deutschland sind die Niederlande und Spanien. Zudem gibt es bereits erfolgreiche Versuche, Süßkartoffeln auch hier anzubauen. Der Blick in die Statistik sagt, dass die Volksrepublik China am meisten anbaut und die Vereinigten Staaten von Amerika sich irgendwo auf Platz 8 tummeln. Welchen Grund sollte es geben, amerikanische Süßkartoffeln einmal über den Teich zu bringen?
Michelle Grainger ist Executive Direktorin der North Carolina Sweet Potato Kommission und war zusammen mit ihrer PR-Beauftragten Emily Burnett auf der Gartenparty. Wer also könnte besser wissen, warum wir US-Süßkartoffeln essen sollten. So viel sei vorweggenommen: Wir essen sie schon längst. „Es ist zwar sehr gut möglich, dass Sie schon vorher Süßkartoffeln gegessen haben, aber 2008 haben wir eine Kampagne gestartet, um Süßkartoffeln in Europa zu etablieren, wobei einige Pionierunternehmen schon lange vorher mit der EU-Erkundung begannen“, meint Michelle Grainger.
Fotos: Alle Vögel fliegen hoch
Kalt und dunkel
Von November bis Ende Juni werden Süßkartoffeln per Container aus North Carolina nach Europa verschifft. 85 Prozent der Ernte werden so exportiert. Die Landwirte bauen dort auf 34.000 Hektar über 60 Prozent aller amerikanischen Süßkartoffeln an. Und nur ein Bruchteil dessen wird sofort vermarktet. Der Großteil aller Süßkartoffeln wird erdverkrustet in einem klimatisierten Gebäude gelagert. „Das Department of Biological and Agricultural Engineering an der North Carolina State University hat für die Landwirte ein Lüftungssystem entwickelt, sodass die Süßkartoffeln zwölf Monate lang gelagert werden können. In Dunkelheit und Kälte stellen sie ihren Stoffwechsel und enzymatischen Prozess ein, sie fallen quasi in einen Winterschlaf“, erklärt Michelle Grainger, „Im Laufe der Zeit werden die Süßkartoffeln sukzessive aus dem Lager entnommen und für den Export vorbereitet. Dafür kommt das Gemüse für einen bestimmten Zeitraum zwischen drei bis fünf Tagen bei ungefähr 30 Grad und sehr hoher Luftfeuchtigkeit in einen Sonderraum. Dadurch wird die Schale fester und die Stärke verwandelt sich in Zucker. Unbehandelt wäre die Süßkartoffel grün und hätte einen etwas weniger ausgeprägten Geschmack. Anschließend werden die Süßkartoffeln gereinigt und vermarktet, bzw. exportiert. Nach 14 Tagen kommen die Schiffe im Hafen von Rotterdam an.“
Foto: North Carolina Sweet Potatoes
Vertraue keiner Statistik, …
Michelle grinst: „Wenn als Herkunft der Süßkartoffeln Niederlande angegeben sind, könnten sie eventuell aus North Carolina stammen, wenn USA draufsteht, kommen sie höchstwahrscheinlich aus North Carolina.“ Zudem gibt sie zu den Statistiken zu bedenken: „Viele Länder wie beispielsweise China produzieren Süßkartoffeln für den eigenen Bedarf und exportieren kaum.“ Zur Frage, was die Süßkartoffel so besonders macht, sagt sie: „Süßkartoffeln sind aufgrund ihrer Nährstoffzusammensetzung reich an Ballaststoffen, sowie Vitaminen und Spurenelementen. Wir betrachten sie als Superfood. Für die Zukunft benötigen wir Lebensmittel mit reichhaltiger Nährstoffdichte bei wachsendem Bedarf der Weltbevölkerung. Ein zusätzlicher, nicht zu unterschätzender Faktor ist die Tatsache, dass Süßkartoffeln nahezu nicht gegossen werden müssen, beim Anbau in natürlich feuchtem Klima – wie in North Carolina. Die Pflanze entwickelt große, ebenfalls essbare Blätter, die über der Pflanze ein natürliches Zelt bilden und dadurch die Wasserverdunstung minimieren. Betrachten Sie es als das natürliche Gewächshaus von Mutter Natur.“
Schön und gut, noch ein praktisches Problem: Die Kinder verschmähen im Restaurant oft das Angebot an Süßkartoffel-Pommes, weil sie eben weicher sind und nicht so knusprig wie richtige Kartoffelpommes. Auch da wusste die Expertin zu beschwichtigen, die Universität arbeitet gerade an einer Sorte, die sich optimal für Pommes frites eignen würde. Sie empfiehlt bis dahin, die geschälten Süßkartoffeln in Scheiben zu schneiden, mit ein wenig Öl und Gewürzen zu marinieren und auf dem Backblech im Ofen bei höchster Stufe zu garen, bis die Ränder braun werden und dann nach ein paar Minuten wenden.
Noch einen Tipp hatte sie für die Verbraucherinnen und Verbraucher, der weitaus wichtiger ist: „Lagern Sie zu Hause die Süßkartoffeln an einem kühlen, dunklen Ort, nie in direktem Sonnenlicht, also stattdessen beispielsweise in einem Schrank. Aber wichtig: Nicht in den Kühlschrank, der eher feucht ist! Dort entwickeln Süßkartoffeln einen bitteren Geschmack.“
Artikel-Teaserbild (oben): Daria Nipot – stock.adobe.com