Einmachgläser gefüllt mit Chutney

Chutney – Einmachen auf britische Art

Interkultureller Austausch im Kochtopf gehört mit zu den Lieblingsthemen im Lebensmittelmagazin.de. Wie schön, wenn man gleichzeitig eine Methode kennenlernt, Obst und Gemüse zu verwerten und haltbar zu machen. Wir kochen Chutney.

Viele Hobbygärtnerinnen und -gärtner sehen sich möglicherweise gerade jetzt im Erntemonat September konfrontiert mit einem Übermaß an Obst- und Gemüsesorten. Wenn sowohl Apfelkuchen als auch Zucchinicremesuppe langsam zu viel werden, bietet sich eine schöne Alternative an: Chutney, ein Zwischending aus Marmelade und Bratensoße und dabei so britisch wie Afternoon Tea und Single Malt Whiskey. Ein guter Freund, Ian Bond, ist nicht nur Engländer sondern ein großer Connaisseur der Küche seiner Heimat und bereitwillig, jene süß-würzige Spezialität der Insel zu offenbaren. Seine Bedingung: „Bring so viele leere, ausgespülte Einmachgläser mit wie möglich!“

Einmachgläser können einfach wiederverwendet werden, wenn der ursprüngliche Inhalt aufgebraucht wurde.
Foto: Inga Nielsen – stock.adobe.com

Alles selbstgemacht

Der gemeinsam entwickelte Plan sieht vor, sowohl ein süßes Chutney aus Obst, als auch ein eher herzhaftes Chutney aus Gemüse zu kochen. Dafür soll Obst von wilden Obstbäumen an havelländischen Landstraßen rund um Potsdam gesammelt werden. „Fallobst, Äpfel und Birnen mit Macken kann man hervorragend für Chutney nehmen, weil es sowieso klein geschnitten wird“, sagt Ian. Naja, die ausgesuchte Stelle ist letztendlich aber nicht besonders ergiebig und das Obst, das am Boden liegt, schon ziemlich hinüber. Aber kein Problem. Ein paar Autominuten weiter liegt „Neumann‘s Erntegarten und Hofladen“ hier kann jede:r mit einem Eimer in der Hand auf der Obstplantage selber pflücken.

Die tiefstehende Herbstsonne lässt die Birnen an den Bäumen goldgelb strahlen. Ein paar Saatkrähen schrecken auf und fliegen in den wolkenlosen Himmel. Trotz der leuchtenden Farben benötigen die meisten Früchte noch ein paar Sonnentage und hängen weiterhin fest am Baum. Was für einen intensiven, nicht nur süßen, sondern auch würzigen Geschmack eine selbst gepflückte Birne im Mund entwickeln kann! Im Gegensatz dazu zieht sich der Mund nach dem beherzten Biss in den frischen, säuerlichen Apfel zusammen.

Obst kann man auch in der benötigten Menge selbst pflücken.
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Süß und herzhaft

Die Bäuerin ist reichlich verwundert, dass gar nicht so viele Äpfel und Birnen in den Eimern landeten. Grund dafür ist, dass nur die Hälfte der Einmachgläser mit Apfel-Birnen-Chutney befüllt werden sollen und die andere Hälfte mit Gemüse-Chutney. Was wäre besser geeignet als Zucchini, das ultimative Schrebergartengemüse? In Ermangelung eines eigenen Gartens kommen die beiden Zucchini aber zugegebener Maßen tags zuvor von „Beet und Baum“ aus der Markthalle IX in Berlin-Kreuzberg.

Beim Blick auf das Angebot an Himbeeren auf dem Obsthof erinnert sich Ian: „Zwischen Juli und September war meine Mutter früher jeden Tag damit beschäftigt Himbeeren zu pflücken.“ Auf die Frage, ob sie etwa Landwirtschaft hatten, entgegnet er: „Nein, keinen Bauernhof, das Konzept nennt sich ‚Market Gardening‘, das ist sozusagen die kleinstmögliche kommerzielle Landwirtschaft. Wir hatten früher eine Parzelle, auf der wir hochpreisiges Obst und Gemüse wie Spargel und Himbeeren anbauten, um diese dann auf dem Markt zu verkaufen, um etwas dazu zu verdienen.“

Neben dem selbst gepflückten Obst kommt das Gemüse aus der Markthalle IX in Berlin-Kreuzberg. „Von Beet und Baum“ bietet eine große Auswahl an Obst und Gemüse aus ökologischem Anbau.
Fotos: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Alles von Granny

Während des Apfelschälens und -kleinschnibbelns werden die einwandfreien Schalen, die viele Inhalts- und Geschmacksstoffe haben, auf einem Tablett getrocknet, um daraus später für die Kinder Apfeltee zu kochen oder sie im Smoothie mit zu verarbeiten. Neueste Zahlen besagen, dass 59 Prozent der 10,9 Millionen Tonnen jährlicher Lebensmittelabfälle aus Privathaushalten stammen. Selbst solche Kleinigkeiten, wie einmachen oder für den Tee zu verwenden, können dem schon entgegenwirken. Beim Schnibbeln auf dem Balkon kommt die Frage auf, woher er Chutney kochen kenne. „Meine Granny war dafür bei uns zuständig. Sie wohnt im Haus meiner Eltern, allerdings in ihrem eigenen Apartment. Das bedeutete vor allem für mich als Kind, wenn mir das Dinner meiner Mutter nicht passte, konnte ich immer noch zu Granny gehen, die mir etwas Leckeres kochte. Sie ist jetzt über hundert Jahre alt und stammt noch aus einer Zeit, als Chutney kochen notwendig war. Wenn man das Obst und Gemüse, das bei einem selbst wuchs, nicht für die kalte Jahreszeit einmachte, hatte man dann mitunter zu wenig zum Essen, weil das Angebot im Handel ja noch gar nicht so groß war wie jetzt. Sehr beliebt ist es beispielsweise im Frühjahr, Rhabarber auf diese Weise für den Winter zu konservieren. Jeder Haushalt hatte so sein Rezept bzw. man nimmt für das vorhandene Obst und Gemüse die Gewürze, die man so im Haushalt hat. Das können Nelken sein, Kreuzkümmel, Sumach, Piment, Ingwer, Koriandersaat und vieles andere mehr.“ Der größte Unterschied zur hiesigen, „kontinentalen“ Marmelade ist der kräftige Einsatz von Gewürzen und vor allem Essig beim Chutney.

Als allererstes wird auf ein Kilogramm Früchte, die Hälfte davon an Essig zusammen mit einem halben Pfund Zucker im Topf erhitzt. Gewürze, wie Ingwer, Senfsaat, Koriandersamen, Piment und Kumin werden in einer Pfanne angeröstet und dann gemörsert, bevor sie im kochenden Sud landen. Ian geht an den Küchenschrank und holt ein Glas Ale Chutney heraus: „Beliebt ist es auch, einen Teil der Flüssigkeit durch Bier oder Wein zu ersetzen. Zwiebelmarmelade mit Rotwein und Nelken zum Beispiel.“

Grund zum Schmunzeln ist die Tatsache, dass dieses „typisch britische Gericht“, wie so vieles andere auch aufgrund der kolonialen Vergangenheit eigentlich indischen Ursprungs ist. In Indien werden Chutneys zu jedem Gericht frisch zubereitet und sollen als zusätzlich komplementärer Geschmack das Essen bereichern, sodass beispielsweise die Süße des Chutneys die Schärfe eines Currys ausgleicht. Auf Hindi bedeutet Chutney „zum lecken“.

Zum Schluss eingedickt

Äpfel und Birnen kochen zusammen mit Zwiebeln für mehr als eine halbe Stunde. Zusätzlich süßen Datteln das Chutney. Aus dem anfangs dünnen, stückigen Süppchen wird mit der Zeit eine satt-blubbernde, würzig duftende Pampe. Hitze runter, umrühren, damit nichts anbrennt.

Parallel dazu wurden die Zucchini bereits gewürfelt und eingesalzen, um Wasser zu verlieren; das sorgt für eine Geschmacksoptimierung des sonst eher neutralen Gemüses. Bei diesem Rezept werden Zwiebeln, Knoblauch und Gewürze, in dem Fall Koriandersaat, Kurkuma und Kumin, zunächst in etwas Öl im zweiten Topf wenige Minuten bei mittlerer Hitze angebraten, bis das die Gewürze anfangen zu riechen. Die hinzugefügten Zucchiniwürfel werden nicht mit angebraten, sondern direkt mit gezuckerten Apfelessig abgelöscht. Auch wenn der Geruch köstlich ist, so scheint die Konsistenz im Topf immer flüssiger zu werden und gemeinsam wird entschieden, die Kochzeit bei niedrigerer Temperatur zu verlängern – eher erfolglos. Womöglich hätten die Zucchini doch länger als eine halbe Stunde im Salz ziehen müssen. „Das dickt mit der Zeit im Glas nach“, ist sich Ian aber sicher. Sobald die gewünschte Konsistenz zumindest bei den Äpfeln erreicht ist, werden die Gläser mit beiden Chutneys befüllt und kopfüber zum Kühlen abgestellt.

Die Gläser werden kopfüber gekühlt. Daneben liegen die getrockneten Obstschalen.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Den letzten Rest im Topf schmiert Ian auf zwei Brote zusammen mit Schinken. Köstlich, köstlich, erinnert ein bisschen an Feigensenf zum Käse oder auch Honig zum Schinken. „Klar“, meint Ian „das geht hervorragend zum Käse. Es passt aber auch als kalte Sauce zum Braten beispielsweise. Du kannst es wie Ketchup einsetzen.“ Bevor das selbst gekochte Chutney allerdings stolz zur nächsten Käseplatte serviert wird, vergeht noch ein bisschen Zeit also Minimum zwei Wochen Reife, für die geschmackliche Abrundung. Dafür ist es dann aber bis zu einem Jahr haltbar.

Beitragsfoto: Foto: wsf-f – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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