Berlins Eismanufakturen feiern wieder den Auftakt der Eiscremesaison mit der Ice Cream Week. Dafür entwerfen sie aufwendige und abgefahrene Eiskreationen. Lebensmittelmagazin durfte vorab schon mal löffeln.
Erfrischende Sorbets, die von 40 Grad im Schatten erzählen, oder extracremiges Milchspeiseeis, das nicht zwingend von der Kuh kommen muss, Berlins Eisdealer haben wieder groß aufgefahren. Vom 20. bis zum 26. April präsentieren 43 Berliner Eisdielen besondere Eiscreme-Kreationen, die sie eigens entwickelt haben. Teils ganz den Klassikern verpflichtet bis hin zu waghalsigen und spektakulären Experimenten, die diesmal wirklich Neuland erschließen, ist alles dabei, Stichwort „Pizza Marinara“.
Früh und teuer?
Aktuell benötigt man ein ganz besonders sonniges Gemüt, um bereits in die richtige Stimmung zu kommen, eine Tasse heißer Kaffee scheint verlockender. In der Tat fanden die Ice Cream Weeks der vergangenen Jahre weitaus später im Mai bzw. im Juli statt. Dazu erklärt die Mitarbeiterin von True Italian, der organisierenden Agentur: „Das war seinerzeit coronabedingt, jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, die Berliner auf Eis einzustimmen.“ Noch etwas ist neu: Kostete die Kugel von der Ice Cream Week-Sorte bislang immer den Obolus von einem Euro, so werden jetzt satte 50 Prozent beziehungsweise Cent draufgelegt. Die Meinungen dazu sind geteilt: „In der Vergangenheit haben sich die Eisdielenbesitzer darüber beschwert, dass der große Andrang angesichts des nicht kostendeckenden Preises für finanzielle Turbulenzen sorgte“, erklärt die Dame von der Agentur. Gunnar Brückner vom KiezEis in Schöneberg sieht das ein bisschen anders: „Das ist ein Event, der für Aufmerksamkeit sorgt, je mehr umso besser. Das kalkuliert man dann insgesamt mit ein. Der höhere Preis ist immer noch nicht kostendeckend, dafür wird dann wahrscheinlich ein großer Teil der Kunden wegbleiben. Eine Kugel anständiges Eis kostet dieses Jahr um die 2 Euro. Grund dafür sind zum einen die massiv gestiegenen Rohstoffpreise, aber auch die hohen Personalkosten. Der Rohstoff Inulin beispielsweise bindet bei der Eisherstellung das Wasser, verbessert die Struktur des Eises und ergibt ein wunderbares Mundgefühl. Inzwischen besteht aber ein wachsendes Interesse seitens der Lebensmittelindustrie nach dem stärkeähnlichen Pulver, weil es süßende Eigenschaften besitzt, aber kein Zucker ist. Das treibt den Preis in die Höhe.“
Von Blümchen und Milchalternativen
„Dieses Jahr liegt der Fokus auf Blumen und veganen Eissorten“, lauten die Trends von True Italian. Tatsächlich ist eine Vielzahl der Eisdielen auf der Karte der Ice Cream Week vegan gekennzeichnet. Auch Uniteis, der Verband der italienischen Speiseeishersteller in Deutschland, sieht diesen Trend und erklärt gleich ein veganes Sorbet namens Tiziano zum Eis des Jahres 2023. Es besteht nur aus zwei Zutaten: Erdbeertrauben und Prosecco. Das Ursprungsgebiet dieser beiden Produkte ist die italienische Region Venetien. 2021 hatten die veganen Sorten noch keine fünf Prozent des deutschen Marktes erobert. Im Jahr 2022 stieg der Anteil der rein pflanzlichen Angebote in den Kühltruhen nach Angaben des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). Als pflanzliche Quellen dienen neben Soja und Mandeln auch Hafer oder Erbsenprotein.
Dabei erfreut sich Eis mehr denn je äußerster Beliebtheit: Im Jahr 2022 erzielte die europäische Eisbranche einen Gesamtumsatz von fast zehn Milliarden Euro, ein Plus von 13 Prozent im Vergleich zu 2021. Italien und Deutschland sind die europäischen Länder mit der größten Verbreitung von handwerklichem Eis. Nach Angaben von Sigep 2023, der Internationalen Fachmesse für Gelato-, Konditoren- und Bäckerhandwerk in Rimini (Italien) gibt es in Deutschland mindestens 9.000 Eisdielen. Eine größere Zahl hat in Europa nur Italien mit 39.000 Eisdielen.
Palim, palim, eine Kugel Pizza, bitte!
Recht opulent kam beispielsweise das sizilianische Cannolo mit Büffel-Ricotta-Käse und Pistaziensplittern von Duo Sicilian Ice Cream in Friedrichshain daher – noch ein Espresso dazu und man hätte eine vollmundige Zwischenmahlzeit.
Die erste Eiscreme, die den üblichen Geschmackskorridor bekannten Sorten hinter sich ließ, war das Zitrone-Koriander-Chili-Eis von Spoonful Berlin in Kreuzberg. Kennt man Chili bislang als scharfen Einheizer, beispielsweise in Zartbitterschokoladeneis, so bildet diesmal nur der Geschmack der grünen Chili zusammen mit Koriander und Zitrone einen Aromenakkord, der an Ceviche erinnert.
Sentimental nach Kindertagen schmeckt das Orangen-Kamillen-Sorbet von Zagara in Kreuzberg. Es erinnert frappierend an den Eisklassiker Capri. Statt der Süße mildert der florale Geschmack die Säure der Orangen.
Fotos: True Italian
Den kulinarischen Dimensionssprung schaffte aber ein anderes Eis: Wer Lust auf das ultimative Genussexperiment bekommt, der hat in Lichterfelde West bei Artigiani die Möglichkeit, Pizza Marinara als Eiskugel genießen zu können, Knoblauch und Oregano inklusive, getoppt mit knusprigem Pizzaboden. Die Überwindung, in eine gefrorene Tiefkühl-Pizza zu beißen, wich schnell der Erkenntnis, dass man sich von den Aromen und dem Aggregatzustand her in der Nähe einer kalten Tomatensuppe befindet, einem im Hochsommer köstlichen und erfrischenden Imbiss. Dabei schmeckte es überhaupt nicht süß, wie man es normalerweise von einem Eis erwarten würde. Auf die Frage, was er sich bei dieser verrückten Geschichte gedacht hat, erklärt Inhaber Enrico Piccin: „In Rom wird im Ristorante 1978 ein Gang serviert, der aus einem Tütchen aus essbarem Plastik besteht, das mit Gewürzen gefüllt ist. Wenn man das in den Mund nimmt, entsteht der Eindruck, dass man eine Pizza gegessen hat. Das wollte ich auch als Eis herausbringen. Ich liebe Pizza und ich liebe Eis. Hierfür haben wir Tomaten mit Kräutern im Ofen geschmort und anschließend als Sorbet verarbeitet, dem weitere frische Kräuter hinzugefügt wurden.“ Im vergangenen Jahr sorgte er mit CBD-Eis für „Entspannung“, sodass seine Gäste langsam aber sicher eine gewisse Erwartungshaltung haben dürften. „Mal schauen, was ich nächstes Jahr mache, vielleicht was mit Trüffel.“
Fotos: RECUP
Noch etwas Neues zum Schluss: Wer bei der Frage „Waffel oder Becher?“ den Becher wählte, wird bei den Eisdielen von Katchi Ice Cream, Süße Sünde, Alfi’s Eis, Ben, Emi & Friends, Chunks by KoRo, Tanne B Eis Berlin, Gimme Gelato und KiezEis jetzt die RECUP-Mehrwegbecher bekommen, um Papierabfall einzusparen. Diese sollen bei einer Nutzung von 10 bis 25 Mal pro Becher laut einer Studie des Umweltbundesamts nachhaltiger als das Papppendant sein. Insgesamt könne so ein Becher tausendmal verwendet werden, sagt Simona Dunsche von RECUP. Das verspricht Genuss ohne Reue, zumindest was die Nachhaltigkeit betrifft!
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