Food Innovation Camp in Hamburg – Die Höhle der Löwen inklusive

In den altehrwürdigen Hallen der Hamburger Handelskammer trafen junge aufstrebende Food-Startups auf die großen Player aus Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie. Lebensmittelmagazin.de tummelte sich dazwischen.

Ein Hauch von Löwenhöhle wehte durch das siebte Food Innovation Camp, denn die drei Finalisten von 30 Pitch-Teilnehmerinnen und –teilnehmern mussten sich vor der Jury rund um TV-Löwe Ralf Dümmel beweisen. Außerdem waren in der Jury dabei: Jochen Vogel, Chef der REWE Nord, Ex-Profifußballer und REWE-Geschäftsführer Holger Stanislawski sowie Hamburgs Gastronomie-Koryphäe Tim Mälzer.

v. l. n. r.: Ralf Dümmel, Jochen Vogel, Holger Stanislawski, Tim Mälzer
Foto: Deutschmann Kommunikation

Wer holt sich den Pitch?

Die Münchnerin Carolin von „Djoon“ präsentierte zuckerfreie, dafür dattelhaltige Schokolade. Den etwas höheren Preis von 6,90 Euro für 70 Gramm verargumentierte sie angesichts der hohen Rohstoffpreise und dem Dubai-Hype, der Konsumentinnen und Konsumenten solch hohe Preise zahlen lässt. Datteln kennt man als leckere und gesunde Nascherei. Verarbeitet, ob im Kuchen oder Desserts, können sie aber beine gewisse Grießigkeit entwickeln, die nicht unbedingt jeder mag. Die Pitcherin versicherte, eine Methode zur Verarbeitung der Datteln entwickelt zu haben, die eben nicht für grießige Schokolade sorgt, sondern den gewünschten Schmelz beibehält. Dümmel konnte das nach seiner Verkostung bestätigen. Mälzer fand aber, dass die Schokolade etwas zu gesund für eine Süßigkeit schmecken würde. Hinzukommt: Schokolade muss nach Lebensmittelrecht Zucker enthalten, so dass die Tafeln eben gar nicht Schokolade heißen dürfen.

Pitch von Djoon
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Julian von „Oh my seed“ ging beim Pitchen etwas die Düse als Einzelkämpfer. Dabei klang sein Produkt vielversprechend: Fleischersatz aus Presskuchen von der Sonnenblumenölproduktion. Was bislang als Viehfutter verwertet wird, erlebt jetzt ein Upcycling. Das Produkt gibt es unter anderen bereits beim Lebensmittellieferanten Knuspr käuflich zu erwerben. Mälzer lobte das Startup für den ausbleibenden fiesen Nachgeschmack, den Fleischersatz seiner Meinung nach oft hätte. Was will man mehr? 

Pitch von Oh my seed
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Zu guter Letzt präsentierten die Herren von „O-some Taste“ ihre Pesto-Varianten. Über Jahre hinweg hätten sie beste Marktforschung auf Wochenmärkten zwischen Frankfurt und Karlsruhe gemacht – mit Erfolg, inzwischen haben sie unter anderem den Great Taste Award abgeräumt. REWE-Chef Jochen Vogel freute sich besonders über die moderate Schärfe des omnipotenten Chili-Pestos. 

Pitch von O-some Taste
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Und auch die restlichen Jury-Mitglieder konnten „O-some Tase“ überzeugen. Sie gewannen den Final Pitch und damit eine Listung bei REWE Nord.

Die Gewinner und Jury-Mitglieder
Foto: Deutschmann Kommunikation

Am lebenden Beispiel

Der anschließende Presserundgang führte zunächst zum Stand von „Chew some“ aus München. Die Gründerinnen haben Restaurants, Indoor-Spielplätze und Familienhotels im Fokus, die oft unter der Kritik stünden, ihren kleinen Gästen nur Paniertes und Frittiertes anzubieten. Das Angebot des Startups ist dementsprechend rein pflanzlich und mit wenig Salz gewürzt, zum Beispiel die Bio-Karotten-Erbsen-Haferbällchen.

Stand von Chew some
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Nicht nur Kinder sollten moderat Salz zu sich nehmen, auch bis ins hohe Alter empfehlen Hausärztinnen und –ärzte weniger Natriumchlorid zu sich zu nehmen. Helfen könnte hierbei Plantsalt von „Bettasalt“ aus Bad Oldesloe. Es besteht zur Hälfte aus mineralischen Alternativen zu Natriumchlorid, wie beispielsweise das Chlorid aus Kalium. Als pflanzliches Salz stammt es von Nordseequellen und der Braunalge. Besonders praktisch: es fällt als Nebenprodukt bei der Produktion des Lebensmittelzusatzstoff Carragen, einem Bindemittel, an. Bei gleicher Salzigkeit lässt es sich beim Kochen und Backen wie übliches Kochsalz verwenden. Zusätzlich sorgen vielleicht die 12,99 Euro fürs Gläschen dafür, das Frühstücksei sparsamer zu würzen…

Stand von Bettasalt
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Ein schmackhaftes Produkt waren die pflanzlichen Räucherfischalternativen von „Knollenkutter“ auf Basis von gehobelten Karotten, Rote Bete sowie Sellerie. Aus der eigenen Räuchermanufaktur in Bremen, mariniert mit Dulsealge von der französischen Atlantikküste, fehlt dieses Angebot auf jedem Brunch-Buffet. Ein Drittel des Glases deckt zudem den täglichen Omega-III-Bedarf.

Stand von Knollenkutter
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Etwas exklusiver war die Gänsestopfleber von „Happy Foie“. Koch Tobias Sudhoff möchte seinen Gourmets den Genuss ohne dass damit verbundene Tierleid ermöglichen. Stopfen ist in den meisten Ländern als Tierquälerei verboten, darf aber nach Deutschland importiert und angeboten werden. Happy Foie verfettet die Gänse- und Entenleber erst nach dem Schlachten. Für hiesige Connaisseurs mag der Reiz vor allem in der gehobenen Exklusivität liegen und vielleicht auch in der Frivolität, ungestraft etwas Amoralisches zu genießen. Geschmacklich jedenfalls kann jede gute Leberwurst mit etwas zu viel Butter darunter mithalten. In Frankreich ist Foie Gras ein traditionsreiches Lebensmittel – ob die Franzosen auf Happy Foie ausweichen würden?

Stand von Happy Foie
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Zeitgeisterbeschwörung

Auch „alte Hasen“ fanden sich auf dem Food Innovation Camp wieder. „Dr Jagla’s“ präsentierte seine neuesten Kreationen an alkoholfreien Aperitifen, zum Beispiel San Pompello mit Geschmack und rosa Farbe von Grapefruits. In Anbetracht der Tatsache, dass immer mehr Menschen weniger Alkohol trinken möchten, scheint das Konzept der Apothekerin zu fruchten.

Stand von Dr. Jaglas
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Nicht nur weniger Alkohol, auch weniger Zucker gehört zum Zeitgeist. Für das Verlangen vor dem Zubettgehen den Küchenschrank nach Gummibärchen und Co abzusuchen, hat das Startup „Nalu“ – hawaiianisch für Welle – kleine Gummifische und Schildkröten entwickelt, die den Großteil des Zuckers durch Stevia ersetzt haben, und zwar so, dass es nicht unangenehm nachschmeckt. Dafür ist das leckere Fruchtgummi doppelt so teuer wie konventionelle Gummibärchen. Ebenfalls zuckerreduziert: die Frühstücks-Pops von „Wholey“ in einer bunten, kinderansprechenden Verpackung. 

Stand von Nalu
Foto: Johannes – lebensmittelmagazin.de

Was für Groß und Klein gleichermaßen reizvoll sein könnte, waren sowohl die Veggi-Minisalamis als auch die farbenfrohen, würzigen Knusperstreusel von Lumo, mit denen man jede Frischkäseschnitte verzaubern könnte. 

Die fruchtigen Shots von „Duba“ wiederum waren auch gehaltvoller als man auf den ersten Blick meinte. Zu den Fläschchen gab es einen ganzen Katalog an wissenschaftlich unterfütterten Health Claims zu den enthaltenen Bakterien. Wenn man davon nicht jünger, gesünder und hübscher wird…

Ob alter Hase oder noch grün hinter den Ohren – für jedes Unternehmen hatten die Organisatoren des Food Innovation Camps passende Gesprächspartner an Investoren, aus dem Handel und der Gastronomie zum Speed-Daten beim sogenannten Matchmaking besorgt. 

Budenzauber

Im Forum „Food sense“ in der Nachbarhalle präsentierten zudem Künstler und Agenturen Arbeiten, Fotos, wie Gemälde und Collagen, aber auch Objekte wie ein überdimensionaler Hotdog. Am eindrücklichsten für die Besucherinnen und Besucher dürfte allerdings die Performance der Theaterkünstler Gigantomanie Studio um Laurenz Quarz gewesen sein, die hin und wieder durch die Reihen gingen, um schauderhaften Bodyhorror verbreiteten und Werbung für die Aufführung „Formation, Deformation: Digestion als Anthroprotechnik“ am Abend zu machen.

Artikel-Teaserbild (oben): Deutschmann Kommunikation

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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