Anuga 23 – nachhaltiges Wachstum

Letzte Woche öffnete die Koelnmesse ihre Tore für Besucherinnen und Besucher der Allgemeinen Nahrungs- und Genussmittel-Ausstellung (Anuga). Lebensmittelmagazin.de ist zur Eröffnung an den Rhein gefahren.

7.800 Ausstellerinnen und Aussteller aus 118 Länder präsentierten ihr Produktportfolio und ihre Projekte. Unter dem Motto „Sustainable Growth“ lagen die Schwerpunkte neben Proteinalternativen, auf Themen wie Health Benefits und Clean Labeling.

Versorgungssicherheit vs. Klimawandel

Nachhaltiges Wachstum, zwei Phrasen, welche die beiden größten Herausforderungen umklammern: Bis 2050 wächst die Weltbevölkerung auf 10 Milliarden Menschen an, die versorgt werden wollen und der Klimawandel erfordert dazu fast gegensätzliche Maßnahmen. Eine Schere als Herausforderung, der sich die internationale Lebensmittelwirtschaft stellt und auf der Anuga in Köln ihre Lösungsansätze präsentierte.

Der Nordeingang der Messe Köln während der Anuga 2023.
Die Anuga zog auch in diesem Jahr zahlreiche internationale Gäste nach Köln
Foto: Koelnmesse/Anuga/Thomas Klerx

Alternative Fleischeslust

So zeigt sich beispielsweise dieses Jahr, dass Fleischalternativen auf pflanzlicher Basis, etwa Soja- oder Erbsenprotein, inzwischen in der Lage sind, zu diversifizieren. Aus Großbritannien kommt beispielsweise Chicken Tikka Masala von der Firma Shicken. Abgesehen davon, dass die Firma mit Clean Labeling wirbt, also ohne die Verwendung von Zusatzstoffen, stammt das Soja für die Grundlage aus biologischem Anbau. Und das Produkt konnte sich echt sehen bzw. schmecken lassen: Saftig und schmackhaft, den Vergleich mit dem Original braucht es nicht zu scheuen. 

Ähnliches galt für das Veggieseafood aus Fernost: Veggiefarm aus Taiwan präsentierte Alternativen zu japanischem Räucheraal, Calamari und einem ausgesprochen köstlichen veganen Fisch-Tofu, alles auf Basis von Soja, Shiitake, Algen und Weizenprotein.

Esencia Foods präsentierte veganen Fisch auf Basis von Myzel, also Pilzgeflecht, eine neue, spannende Grundzutat, die schon eine fleischähnliche Struktur mitbringt

Pilz als Grundzutat, diesmal allerdings den Fruchtkörper verwendet auch das niederländische Familienunternehmen van Koolen. Die traditionellen Pilz- und Gemüsebauern entwickelten daraus eigenständig ihre Fleischalternativen und die zu verkostende Fajita war äußerst schmackhaft.

Der Burger von Matr aus Dänemark, besteht aus Soja, Spalterbsen, Lupinen, Kartoffeln und Rote Bete und schmeckte hervorragend. Waren Fleischalternativen auf der vergangenen Anuga oftmals aus homogener Masse, so erlebte man hier Gaumenspannung beispielsweise durch unterschiedliche Texturen.

Ähnliches galt auch für die faszinierenden Konsistenzen der Veggiehackmasse der italienischen Marke Garden Burger, die hier als Polpette serviert wurden!

Diesbezüglich gab es noch eine Überraschung: Veggiesalami. Salami stellt eine besondere Herausforderung dar, als eine Fleischspezialität, die ihren spezifischen Geschmack durch eine bestimmte Fermentation erhält. Während bisherige Verkostungen meistens durchfielen, konnte das deutsche Unternehmen Billy Green mit seinem Produkt sowohl geschmacklich als auch von der Textur überzeugen.

Alternative mit Benefits

Auch wenn das Thema Milchalternativen auf der Anuga weniger präsent war, bot beispielsweise das Unternehmen Licorne, leckere Frischkäse-Kreationen, sowie Mozzarella und Feta auf Mandel- und Cashew-Basis an.

Einen Schritt weiter Richtung Nahrungsmittel mit Benefit geht das deutsche Unternehmen The Plant Magic. Sie stellen klassische Milchgetränke, wie Kaffee Latte, Matcha Latte, Chai Latte oder Golden Milk her, die nicht nur auf Pflanzendrinks aus Hafer oder Mandel basieren, sondern auch zusätzlich mit „Superfoods“, wie Reishi, Moringa oder Maca angereichert sind.

Natur pur

Quasi im Gegensatz dazu stehen die vielen naturbelassenen Lebensmittel. Ein naturbelassener 100-prozentiger Kirschsaft von Frederiksdal in Dänemark lässt an Urlaub denken, insbesondere nachdem die Besitzerin Fotos von ihrer blühenden Obstplantage zeigte. Aber auch die Fruchtriegel von Hungry Monkey aus UK bestehen ausschließlich aus frischem Obst, mit ein bisschen Zimt oder Ingwer. Netter Nebeneffekt: 20 Prozent der Früchte bestehen aus Trester aus der Saftproduktion, wider unnötiger Abfallentsorgung also.

Wie Lebensmittel aus anderen Kulturkreisen sich langsam in hiesigen Küchen etablieren, demonstriert zum einen der Hummus von Deli Dip aus Österreich. Mit der Expertise aus der Levante, aber hier hergestellt, kann man ihn bedenkenlos servieren, insbesondere mit so leckeren Toppings wie Zaatar, Thymian-Sesam, oder auch Korianderpesto. 

Wenn die Asianudeln von Misses Mie & Mister Mie aus Duisburg, östlich des Rheins aber nicht in Ostasien produziert, kann man das auch als Beitrag zum Umweltschutz werten. In Bio-Qualität, ob Vollkorn oder mit Gemüse, bietet das Start-up die Option, leckeres fernöstliches Essen, ob Suppe oder Salat von lokalen Produzenten in bester Qualität aus der Region genießen zu können.

Umweltschutz und Regionalität versprachen auch die Jungs und Mädchen von Oh Honey mit ihrem mit Honig gesüßtem Eistee. Klingt nicht nur lecker, sondern soll auch hiesige Schutzprojekte für Bienen unterstützen. Ob die Bienen bei wachsender Nachfrage allerdings nachkommen, bleibt ungewiss.

Am Stand vom Obsthof Knab aus Bayern handelt es sich möglicherweise um die erste positive Konzession an den Klimawandel: Die Landwirte bauen nicht nur Chia-Samen an, sondern auch Quinoa, der normalerweise in der Andenregion wächst. Für nächstes Jahr steigt also die Erwartungshaltung, vielleicht werden ja regionale Avocados oder Ananas angeboten.

Neue gute Wege

Aus der lebensmittelwirtschaftlichen Experimentierphase heraus kann man durchaus feststellen, dass das Angebot an Alternativen zum althergebrachten Lebensmittelangebot inzwischen Form und Farbe annimmt. Insbesondere bei den Fleischalternativen wird immer deutlicher, dass sich die Produkte nicht nur an Veganerinnen oder Vegetarier richten, sondern vielmehr Flexitarier dazu einladen, sich auf Neues einzulassen. 

Den größten Gag allerdings bot die traditionelle Wiener Metzgerei Radatz, die deutlich machte, dass auch ein etabliertes Gericht, wie ein Leberkäse die Verbraucherinnen und Verbraucher vor Herausforderungen stellen kann. Pünktlich zum bevorstehenden Gruselfest präsentieren sie ihren Halloween-Leberkäse, schwarz gefärbt mit Sepia und orangen Cheddarwürfeln. Vielleicht kostet die Optik doch mehr Überwindung lustvoll reinzubeißen, als bei einer der neuartigen Fleischalternativen.

Halloween-Leberkäse von Wiener Metzgerei Radatz.
Der Halloween-Leberkäse von Radatz ist schonmal optisch ein Highlight.
Foto: Koelnmesse/Anuga/Maxi Uellendahl

Artikel-Teaserbild (oben): Koelnmesse/Anuga/Oliver Wachenfeld

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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