Wagashi, traditionelle Süßigkeiten aus Bohnenpaste

Einfach in den Zutaten und kunstvoll in der Zubereitung. Wagashi, japanische Süßigkeiten aus Bohnenpaste, sind reizvoll und alles andere als alltäglich. Lebensmittelmagazin.de hat am Wagashi-Workshop teilgenommen.

„Wagashi sollten nicht köstlicher sein als der Tee“, so beschreibt Hiroyo Nakamoto den Geschmack der traditionellen Süßigkeiten. Sie ist offizielle Kulturbotschafterin der Stadt Hiroshima. Als Teemeisterin schaut sie, seit ihrer Ausbildung an der Ueda Souko Teeschule in Hiroshima, auf 40 Jahre Erfahrung zurück.

Der äußere Anschein

Am schwülheißen Sonntagmittag trafen sich mehr als ein Dutzend Neugierige zum Wagashi-Workshop im Restaurant Oukan Dining. Hinter einer eher unscheinbaren Tür mit beinahe zu übersehener Klingel in einem tristen Hinterhof in Berlin-Mitte offenbarte sich ein herrliches Interieur, das mit Farben, Strukturen, Licht und Raum die Besucherinnen und Besucher aus dem Alltag rieß und dazu einludt, den Fokus auf das Hier und Jetzt zu setzen. Die Tee-Sommelière des Hauses, Joyce von Beuningen, hieß die Gäste mit einem Cold Brew-Sencha-Aperitif willkommen. Er half bestens, die urbane Hitze herunter zu kühlen und die Besucherinnen und Besucher auf das Thema des Workshops einzustimmen.

Abwarten und Teetrinken

Von Beuningen animierte die Gäste dazu, denselben Tee, einen Sensha Yamagiri, eigenständig unter Anleitung zuzubereiten. Zum Tee gab es die Information, dass die Sträucher vor der Ernte für fünf Tage mit Decken beschattet werden. Durch den Lichtmangel produziert die Pflanze mehr Chlorophyll, was dem Tee mehr Süße geben soll. Japanischer Tee wird in der Regel zudem final gedämpft, das heißt die Teeblätter werden Wasserdampf ausgesetzt. „Das dauert zwischen 10 und 200 Sekunden, eine recht flotte Angelegenheit. Dieser Tee wurde 50 Sekunden gedämpft“, weiß die Tee-Sommelière.

Als Teeportion kalkulierte sie dreieinhalb Gramm pro Person. In der Thermoskanne auf dem Tisch war gekochtes Wasser, das inzwischen auf 90 Grad Celsius runtergekühlt war. Die optimale Temperatur für den Tee liegt bei 70 Grad. Zur Regulation der Temperatur dient ein Wasserkrug und gutes Augenmaß. Die in diesem Zusammenhang wichtigste Information lautete allerdings: langsam und im dünnen Strahl das Wasser in die Kanne mit den Teeblättern zu gießen. Ziel ist es, die Teeblätter möglichst wenig zu bewegen, weil sich dadurch die Bitternis des Tees löst, welche ansonsten die anderen Aromen von Süße und Umami überdecken könnte. Für den optimalen Genuss beim zweiten Aufguss, sollte die Wassertemperatur höher (ca. 80 Grad), dafür die Ziehzeit etwas kürzer sein.

Reis und Bohnen

„Tee kam 1191 aus China nach Japan. Zu dieser Zeit wurde er als Matcha genossen. Die Teein-Wirkung fand in der japanischen Gesellschaft großen Gefallen. Sencha kam erst wesentlich später“, erklärt Nakamoto. „Süßigkeiten, die zur Teezeremonie verzehrt werden, sind traditionell auf pflanzlicher Basis. Erst die Portugiesen brachten vor 450 Jahren europäisches Gebäck nach Japan, wie Biskuitteig aus Zucker und Eiern.“ Vorher bestanden die Zutaten aus einfachen Lebensmitteln wie Reis, Getreide, getrockneten Früchten, Bohnen und Stärke.

Zur Demonstration und ersten Annäherung servierten die Japanerinnen den Teilnehmenden Teller  auf denen sie Reis in unterschiedlicher Zubereitung präsentierten, aus welchem vornehmlich Mochi gemacht wird. Je nachdem, ob Klebreis bzw. Reismehl mit oder ohne Zucker verwendet wird, entstehen dabei Reisbällchen, die sich in Konsistenz und Geschmack durchaus voneinander unterscheiden. „Neutrale Reisbällchen, die beispielsweise mit getrockneten Früchten gefüllt waren, dürften zu den ersten Süßigkeiten gehören, zu denen die Landbevölkerung Zugang hatte“, erklärt Nakamoto. Doumyouyi ist ein gekochter Reis, der wieder getrocknet wird und im Bedarfsfall mit heißem Wasser schnell wieder verzehrfähig ist. Dieser wird unter anderem als eiserne Ration von Soldaten mitgeführt. Was man hierzulande aus dem Asia-Geschäft als Mochi kennt, sind vielmehr so genannte Gyuhi, die aus Klebreismehl und Zucker gekocht werden. Mochi ist der Oberbegriff.

Reis in unterschiedlicher Zubereitung: Beginnend oben im Uhrzeigersinn sieht man gedämpften Klebreis, gedämpften und getrockneten Klebreis, Mochi aus Klebreismehl, Bällchen aus einem Reismehlmix, weiche Mochi aus Klebreis und Zucker, weiche Mochi aus Klebreismehl, Zucker und Kuzustärke.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Auf dem anderen Teller irritierte zunächst eine gekochte Saubohne. Hiroyo Nakamoto klärte auf: „Für ‚An‘, eine süße Bohnenpaste, werden Bohnen wie Saubohnen oder Azukibohnen für ungefähr sechs Stunden gekocht. Dabei wird alle zwei Stunden das Wasser gewechselt. Ziel ist es, die Stärke aus den Bohnen zu kochen, die beispielsweise bei Konservenbohnen für die gelbliche Färbung und den charakteristischen Geruch verantwortlich ist. Das möchte man bei ‚An‘ nicht haben. Während der letzten zwei Stunden wird dem Kochwasser Zucker hinzugefügt, damit die Bohnen süß werden.“ Einmal aus den Schalen herausgedrückt, lässt sich diese Bohnenpaste zusätzlich mit tollen Zutaten ergänzen. Die zartrosa Paste wurde beispielsweise mit fermentierten Kirschblüten gemischt, die der Bohnenpaste den typischen Cumarinduft verleihen. Für einen spannenden Zitronengeschmack sorgte Yuzu, eine schwer erhältliche japanische Zitrone. Man findet sie aber im Asia Markt als koreanischen Yuzutee, eine Art Marmelade, die sich hervorragend mit der Bohnenpaste mischen lässt. Die Azukibohne sorgt für eine eher dunkle Färbung, hat dafür aber von Natur aus einen nussigen Geschmack, der sich auch mit schwarzem Sesam hervorragend kombinieren lässt. Zudem gibt es auch eine gelbliche Paste, die mit pürierter Süßkartoffel gemischt ist.

Obere Reihe von links: Saubohne, weiße Bohnenpaste (w. B.), w. B. mit Kirschblüten, w. B. mit Yuzu
Untere Reihe von links: w. B. mit Azukibohnenpaste, w. B. mit stückiger Azukibohnenpaste, w. B. mit Süßkartoffel, w. B. mit schwarzem Sesam

Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Kreatives ausleben

Hiroyo Nakamoto lädt dazu ein, mit gefärbtem „An“ hübsche kleine Köstlichkeiten für die abschließende Teezeremonie zu gestalten, die an den baldigen Herbst erinnern. Dafür wurde  das zartrosa Bohnenpastenbällchen mit der dunklen Bohnenpaste gefüllt. Mit einem besonderen Werkzeug, einem dreikantigen Stab mit spitzwinkliger Seite, wurde aus dem gefüllten Bällchen durch einige perfekte Einkerbungen mit dem Hölzchen eine schöne Chrysanthemenblüte gezaubert. Bei dem ein oder anderen fiel diese etwas wilder aus, aber fürs erste Mal dennoch sehr ansehnlich. Aus einer anderen, orangeroten Bohnenpaste, wurde ein Herbstblatt geformt, welches sich um ein Herz aus Azukibohnenpaste schmiegte. Ein bisschen erinnerte es schon an Knete im Kindergarten, mit dem feinen Unterschied, dass die Objekte dem Alter gemäß ein wenig elaborierter ausfielen und man am Ende das Ergebnis essen durfte.

Viele Künste in einem

Für die Teezeremonie versammelte sich die Gesellschaft in einer benachbarten Nische und verfolgte die Performance der Teemeisterin. Ihrer Praxis ließ sich anmerken, dass die Ueda Souko-Teeschule einer traditionellen Samuraischule entstammt. Zur Teezeremonie sagte die Meisterin: „Der Gedanke bei der japanischen Teezeremonie ist, dass man in jedem Detail Aspekte der anderen traditionellen Kunstfertigkeiten und Kunstformen wiedererkennt, seien es beispielsweise die Lackarbeiten der Teedose oder die Keramik einer Teeschale.“

Gebannt schauten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Bewegungen von Hiroyo Nakamoto zu, die dabei jedes Utensil, sei es der Bambuslöffel für das Matcha Pulver oder die Schöpfkelle für das heiße Wasser, begutachtete und dadurch die Aufmerksamkeit für das Sublime generierte. Dabei waren bereits jede ihrer Bewegungen mit eingeschlossen, kein Zögern, keine Unregelmäßigkeit, sondern rein formale Bewegungen.

Zum Schluss kommen die Teilnehmenden des Wagashi-Workshops noch in den Genuss einer traditionellen Teezeremonie.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Im Anschluss erklärte sie, dass dies die Besonderheit ihrer Teeschule sei, die eben in den Bewegungen die traditionellen Bewegungen der Samuraikünste mit einfließen lässt. So entsprächen die Bewegungen mit der Schöpfkelle dem Umgang mit den Bogen beim Kyudo oder das Anreichen der Teeschale dem Halt am Sattel beim Reiten. Auf die Samurai ließe sich auch der Umstand zurückführen, dass ihr Reinigungstuch rechts im Obi steckt, weil links ja Platz für das Schwert sein müsse.

Jeder Gast erhielt eine Schale mit Matcha Tee, der zuvor von der Teemeisterin mit einem Teebesen schaumig gerührt wurde. Allen Anwesenden wurde eine Teeschale gereicht, deren Malerei sie zunächst bewunderten, bevor sie den Tee genossen. Wichtig, aus Respekt vor der Kunst, sollt die Teeschale um 90 Grad gedreht werden, bevor man die Lippen ansetzte. Wann und wie man die Teezeremonie abhält, erklärte Hiroyo Nakamoto so: „Die Teezeremonie mit Süßigkeiten macht man, wenn man fühlt, dass der richtige Zeitpunkt dafür ist und man Freude daran empfindet, das kann mit Freunden im Garten in der Natur oder in einem kleinen Teehäuschen sein.“

Artikel-Teaserbild (oben): Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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