Erntereife Weintrauben in der Region Saale-Unstrut

(Weiß)herbst in Saale-Unstrut: Die Weinlese hat begonnen

Seit Mitte September werden in Deutschlands nördlichstem Weinanbaugebiet die reifen Trauben geerntet. Der 2018er Wein ist aufgrund des letztjährigen Sommers hervorragend, wie sieht es dieses Jahr mit der Lese aus? Wir haben die Stiefel angezogen, um im sachsen-anhaltischen Freyburg zu helfen, die Trauben einzuholen.

Unterhalb des Weinberghotels Edelacker in Freyburg liegt der Weinberg des Burgenland-Gymnasiums Glaucha, ungefähr von der Größe eines halben Fußballfeldes. Die beiden Lehrer Baartz und Erfurth sind heute mit der neunten Klasse im Weinberg. Die Reben des Gutedels, einer alten Weinsorte, sind schon geerntet worden, 230 Kilogramm zusammen. Heute sind die zwölf Reihen des Portugiesers für den Weißherbst dran. Für Lehrer Baartz ist es die letzte Lese vor dem Ruhestand.

Lehrer und Schüler bei der Weinlese
Lehrer und Schüler bei der Weinlese.
Foto: Johannes/lebensmittelmagazin.de

Schulfach Weinbau

Auf der Schule gibt es das Wahlpflichtfach Weinbau, sehr viel Theorie für die Kinder. Aber jede der insgesamt sechs Klassen kommt bis zu dreimal im Jahr in den Weinberg. Nur wenige der Kinder stammen aus Winzerfamilien. Eine Schülerin, Anna-Lena, konnte bereits bei Freunden in den Münchenrodaer Weinbergen bei der Lese mitmachen und unterstützt nun ihre Klassenkameraden bei der Praxis. So kann sie gerade noch verhindern, dass die Trauben aus den Eimern einfach so in die Döse, eine große Wanne, gekippt werden, damit möglichst wenige kaputtgehen. Manche Schüler tun sich etwas schwer, Trauben abzuschneiden und fangen an, einzelne matschige Beeren abzupflücken. „Alles rein, zum Schluss die guten oben drauf!“, zwinkert der Sportlehrer. Die Döse ist gut gefüllt, der Lehrer schnappt sich drei Schüler und fährt mit ihnen zur Annahmestelle der Winzervereinigung. „Für unsere Beeren bekommen wir rund tausend Euro, die Hälfte geben wir allerdings zur Bewirtschaftung wieder aus.“

Frisch geerntete Weintrauben
Ab in die Döse: Frisch geerntete Weintrauben.
Foto: Johannes/lebensmittelmagazin.de

Herausforderung Trockenheit

Seit der Trockenheit im letzten Jahr lässt er die Schüler den Weinhang mit der Gießkanne bewässern. „Sonst mussten die hier drei, vier Mal rasenmähen, das fällt dieses Jahr wegen der Trockenheit flach.“ Das Wasser kommt aus der Zisterne des nahen Hotels. An einigen Pflanzen hat sich an den Blättern eine Art Rost gebildet. „Das ist keine Krankheit, sondern trockenheitsbedingt. Zusätzlich zum wenigen Regen kommt für die Saale-Unstrut-Region noch hinzu, dass die Bergzüge vom Harz und Kyffhäuser vieles vom Regen vorwegnehmen.“

Baartz schätzt, dass die Trauben jetzt ungefähr 250 Kilogramm bringen. Auf der Fahrt erklärt er seinen Schülern, dass das Grundwasser hier aufgrund des Rendzinabodens sehr kalkhaltig sei:

„Ärgerlich für Kaffeemaschinen, gut für den Wein“.

Zunächst der Oechslegrad

Bei der Traubenannahme der Winzergenossenschaft wird zuerst das Gewicht und der Oechslegehalt gemessen. Gut fürs Gymnasium: Die Ernte heute Morgen bringt 275 Kilogramm. Der Winzer tropft den Traubensaft zur Oechslegradbestimmung, also für den Zuckergehalt, auf sein Refraktometer und hält dieses ins Licht: Der Übergang von weiß zu hellblau liegt bei 76 Grad, Normalbereich.

Bestimmung des Oechslegrads mit dem Refraktometer
Messung mit Durchblick: Mit dem Refraktometer wird der Oechslegrad bestimmt.
Foto: Johannes/lebensmittelmagazin.de

Von der Traube zum Most

Direkt neben der Waage ist der Kipptrichter für die Weintrauben hin zum Entrapper. Dieser trennt die Weinbeeren durch ein mechanisches Verfahren von den Rappen, also den Weintraubenstielen, die gesammelt und als Dünger zu den Weinreben zurückgebracht werden.

Hier geht die Reise der Trauben weiter.
Hier geht die Reise der Trauben weiter. Foto: Johannes/lebensmittelverband.de

Vor der Presse werden die Beeren angedrückt. Besonders bei den Rebsorten Silvaner, Bacchus und Gutedel hilft das, weil der Zucker in der Maische verschleimt. Heute werden Dornfelder und später Portugieser-Trauben erwartet, die zu Weißherbst gekeltert werden sollen. Knut Kiok, Weinbergleiter der Winzergenossenschaft, erklärt den Unterschied zu Roséwein:

„Der Weißherbst besteht aus einer einzigen Rebsorte und dessen Farbe lachsrot ist deutlich heller als der vom Rosé, der im Gegensatz dazu aus mehreren Rebsorten bestehen darf.“

Noch ist die Presse leer. Ein Unterdruck sorgt dafür, dass ein Tuch an der einen Seite der Wand klebt. Nachdem die Presse gefüllt ist, drückt das Tuch mit Druckluft auf die Früchte und der Saft wird schonend herausgepresst und in Tanks aufgefangen. Hier wird der Most gekühlt, um wilde Gärung zu verhindern.

Zur Geschichte des Weinbaus in der Region

Die Region Saale-Unstrut ist die nördlichste zusammenhängende Weinregion und erstreckt sich von Höhnstedt am Süßen See bis Eisleben und von Weimar bis Weißenfels. Die Region vereint drei Bundesländer: Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Für das Jahr 998 ist der Weinbau in dieser Region durch eine Schenkungsurkunde von Kaiser Otto III. an die Zisterzienser nachgewiesen. Die Hochzeit des Weinbaus in dieser Region war im Mittelalter mit 10.000 Hektar. Bis zum Ende des 19 Jahrhunderts war der Weinbau hier durch den dreißigjährigen Krieg und der kleinen Eiszeit auf lediglich 120 Hektar zusammengeschrumpft und die Reblaus hätte zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast dem gesamten Weinbau den Garaus gemacht. Letztendlich haben die Brüder Kloss und Carl Foerster, die Urväter des Rotkäppchensekts, das Revival des Weinbaus eingeleitet.

Nicht nur der Wein ist trocken

Nachmittags fährt Hans Zieger, Chef der Winzervereinigung Freyburg, zur Weinlese zur AG Gleina, dem zweitgrößten Weintraubenproduzenten Mitteldeutschlands. Winzer Siegfried Scheibe hat gestern seine Portugieser-Weinbeeren geerntet. „Als wir die Trauben wegbrachten, stellte sich beim Auskippen heraus, dass sich unten in der Döse überhaupt kein Saft gesammelt hatte, so trocken ist dieses Jahr die Ernte.“ Man sieht in seinen Weinhängen, dass einige Reben vollhängen, während andere sich kaum entwickelt haben. „Wo die Wasseradern der Quellen langlaufen, da gibt es Wein“, erklärt der Winzer.

– Wie es mit der Trockenheit bei der Kartoffelernte 2019 aussieht, hier. –

Mit Hans Zieger unterhält er sich über mögliche Maßnahmen fürs kommende Jahr, die Anlage von Stauseen wäre eine Möglichkeit und per Zucht die Trockenheitsresilienz erhöhen: „Es reicht vollkommen aus, die Pflanzen zu strategischen Terminen zu wässern“, erklärt Zieger. Er verspricht dem Agrarministerium die diesjährige Lage darzulegen und sich für kurzfristigen Zugang zum Trinkwasser einzusetzen.

Ernteausfall: Weinsaison 2020 in Gefahr?

Mit Respekt und Sorgen schauen die Winzer auf die Saison 2020. Was wenn kommendes Jahr der Regen ebenfalls ausbleibt? Für dieses Jahr erwarten die Winzer der Saale-Unstrut-Region ein Ernteausfall von 50 Prozent.

„Die technologischen Möglichkeiten sind alle vorhanden. Das größte Problem liegt darin, dass die unterschiedlichen Lagen so weit voneinander verstreut liegen hier in der Region.“

Hans Zieger, Winzervereinigung Freyburg

Weniger Aufwand durch Vollernter

Wenige Kilometer weiter in Weischütz ist der Vollernter, eine Erntemaschine für Weinreben, im Einsatz und zieht kreisend seine Bahnen durch die Reihen mit Portugieser, zieht die Weinreben ein und rüttelt die Trauben runter. „Der Vollernter ist in der Lage, den Aufwand der Handlese zu halbieren. Inzwischen wird 80 Prozent der Weinlese in der Saale-Unstrut-Region so durchgeführt. Selbst größere Kleinwinzer mit einem halben Hektar lassen den Vollernter zum Einsatz kommen“, sagt der Chef der Winzervereinigung.

Weinhänge in der Saale-Unstrut-Region
Idyllisch: Weinhänge in der Saale-Unstrut-Region.
Foto: Johannes/lebensmittelmagazin.de

Vom Most zum Wein

Wieder bei der Winzervereinigung angekommen geht die Führung durch die Produktionsanlage mit der Kellermeisterin Kathleen Romberg weiter:

„Bis jetzt war alles Saft, jetzt wird endlich daraus Wein!“

Der Traubensaft kommt für zwölf Stunden in einen 15 Grad kühlen Sedimentierungstank, um den Saft vom sogenannten Trub, also letzten Faserstoffen der Weintrauben, zu trennen mittels eines sogenannten Mostveredlers: „Der Mostveredler ist nichts anderes als Vitamin B1, das ist so üblich“, erklärt die Kellermeisterin. Danach kommt endlich der Traubensaft zusammen mit Hefe in die Gärtanks, für zwei bis drei Wochen als junger Wein.

Wann ist ein Wein trocken?

Kathleen Romberg erklärt die Süßegrade des Weins: „Von trockenem Wein spricht man bei einem Zuckergehalt von null bis neun Gramm pro Liter, beziehungsweise noch genauer, einem Säureäquivalent plus zwei Gramm. Halbtrocken entspricht ungefähr den Wert von 18 Gramm pro Liter und alles darüber hinaus bis 45 Gramm nennen wir lieblich.“

Kontrollierte, schonende Gärung

Die Weißweine und Rosé-Weine lagern bei 16 bis 18 Grad und die Rotweine bei 22 bis 25 Grad. „So verhindern wir eine stürmische Gärung, bei der es dann in den Tanks so richtig beim Gären brodeln würde. Wir setzen auf eine kontrollierte, schonende Gärung.“ Zwei bis drei Wochen lagern so die jungen Weine, wie Bacchus, Gutedel, Müller-Thurgau. 2,8 Millionen Liter Lagervolumen umfassen die Keller der Winzervereinigung. Davon sind 200.000 Liter in deutschen Eiche-Weinfässern, die teilweise bis zu dreißig Jahre alt und bis über 100 Mal verwendet worden sind. Sie werden für Grauburgunder, Riesling, Blauer Zweigelt, Spätburgunder, Dornfelder oder Portugieser verwendet.

Wein in Eichenfässern
Wein in Eichenfässern.
Foto: Johannes/lebensmittelmagazin.de

„Unser Qualitätsanspruch lautet: sortenrein, lagenrein und trocken. Vor allem Vielfältigkeit macht die Weinregion Saale-Unstrut aus“, sagt die Kellermeisterin voller Überzeugung. Damit meint sie nicht nur die über 30 verschiedenen Rebsorten, die hier angebaut werden. „Wir haben Muschelkalkboden, Buntsandstein, aber auch sandig-lehmig. Das charakterisiert den Wein höchst unterschiedlich.“

Artikelfoto (oben): Ralf Geithe – stock.adobe.com

– Auch Sachen-Anhalt: Wie es auf einer Algenfarm aussieht, hier. –

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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