Kann man noch was draus machen: Rettergut

Beim „Zu gut für die Tonne!“-Bundespreis ist das Berliner Start-up Rettergut ausgezeichnet worden. Lebensmittelmagazin.de hat über die vielfältigen Möglichkeiten, Lebensmittel zu retten, mit ihnen gesprochen.

Die Gründer waren beim Feierabend-Gang über den Wochenmarkt fassungslos angesichts der Massen an Obst und Gemüse, die kistenweise in Containermulden entsorgt wurden, obwohl das Obst und Gemüse noch längst nicht verdorben war.

Haltbar und lecker

„Was für eine Menge an Lebensmittelressourcen, Verschwendung von Arbeitszeit, die in diese Lebensmittel hineingesteckt wurde! Oder wie bei exotischen Ananas, die Strecke, die diese Früchte bereits hinter sich gebracht haben, nur um jetzt hier entsorgt zu werden“, beschreibt Philip Koloczek, Pressesprecher von Rettergut. Die Grundidee sei gewesen, dieses Obst vor der Entsorgung zu retten und haltbar und lecker zu machen. Daraus ist das Konzept von Fruchtpapier entstanden, das Obst wurde püriert und zu dünnen, knusprigen Blättern gedörrt. „Anfangs noch im heimischen Wohnzimmer in Eigenregie und Handarbeit, um es dann auf dem Markt zu verkaufen. Wir hatten damit einen Nerv getroffen und kurze Zeit später die Dörrwerk GmbH gegründet“, berichtet der Pressesprecher. Diese Fruchtpapiere limitierten allerdings die Unternehmer in ihrer Absicht, Lebensmittel aus unterschiedlichen Sparten zu retten. Daraus ist dann 2019 die Firma Rettergut mit inzwischen einem guten Dutzend Mitarbeiter:innen entwachsen, die mit ihrer Mixschokolade zu Beginn in über 300 Rossmann-Filialen einstiegen. Ziel ist es, größere Mengen zu verarbeiten und gemeinsam mit externen Produktionspartner neue Ressourcen zu erschließen. „Das bedeutet viel telefonieren, um Lebensmittel zu entdecken, die ansonsten im Zweifelsfall entsorgt werden würden, obwohl sie durchaus verzehrfähig sind“, erklärt der Lebensmittelretter.

Rettergut stieg mit seiner Mixschokolade zu Beginn in über 300 Rossmann-Filialen ein.
Foto: Rettergut

Gerettet und verarbeitet

Die Bemühungen gehen in zwei Richtungen: „Zum einen fragen wir bei Landwirten nach etwaigem kalkulierbaren Ausschuss, beispielsweise bestimmte Mengen an Süßkartoffeln im Jahr und zum anderen verfolgen wir natürlich die Markttrends und suchen aktiv nach bestimmten Rohstoffen. So besteht beispielsweise die Grundlage einer unserer Limonaden aus geretteten Äpfeln und wir schauten bei der Produktentwicklung nach spannenden Kombinationen. Die geretteten Äpfel haben beispielsweise einen Schalenfehler, was einen höheren Schälaufwand und damit verbunden höhere Kosten bedeutet, was wir einkalkulieren müssen“, gibt Philip Koloczek zu bedenken. Grundsätzlich sei entsaften eine denkbar günstige Option zur Verarbeitung von Obst und Gemüse, so auch beim Beispiel der Gurkenlimonade, bei der Gurken verwendet werden, die sich zur ursprünglichen Verwendung des Einlegens aufgrund von Größe, Beschaffenheit und Krümmung nicht eignen. Auf der anderen Seite, sei es so, dass bei ihrem Pastaproduzenten glutenfreie Spaghetti auf Maisbasis produziert werden, dabei kommt aber die u-förmige Kontaktstelle der Spaghetti mit der potenziell glutenbehafteten Schiene der Produktionsanlage in Berührung. „Für den Pastaproduzenten ist das nicht zu verwenden, für Rettergut ist das eine wunderbare Rohstoffgrundlage, aus der neue Nudeln mit ein wenig Wasser hergestellt werden können“, erklärt Koloczek.

Für die Gurkenlimonade werden Gurken verarbeitet, die sich aufgrund von Größe, Beschaffenheit und Krümmung für das Einlegen nicht eignen. Foto: Rettergut

Ruhm und Ehre

Konnte Rettergut für 2020 die Rettung von über 100 Tonnen Obst und Gemüse als Erfolg verbuchen, so liegen sie im ersten Quartal von 2021 bereits bei 36 Tonnen. Der Rettergut-Pressesprecher meint: „Ziel ist es, die Zahl von 2020 mindestens zu verdoppeln“. Inzwischen sind die Produkte von Rettergut in der gesamten D-A-CH-Region (Deutschland, Österreich und die Schweiz) in über 4.000 Filialen von Drogerie- und Supermärkten und Biomarktketten gelistet. „Viele unserer Produkte sind bio-zertifiziert, aber unser Fokus liegt mehr auf der Rettung von Lebensmitteln. Die meisten davon sind vegan. Unsere Schokolade ist vegetarisch, der Hersteller produziert auch Bio-Schokolade, aber eben nicht nur“, erläutert Philip Koloczek.

Rettergut-Pasta aus Mais & Hartweizen und aus Mais & roten Linsen.
Foto: Rettergut

Neben dem wirtschaftlichen Wachstum bedeutet die Auszeichnung des Unternehmens mit dem „Zu gut für die Tonne!“-Bundespreis Anerkennung und Bestätigung. Philip Koloczek freut sich über die Wertschätzung ihrer bisherigen Arbeit: „Der Preis öffnet uns viele Türen und wir sind gespannt auf die daraus erwachsenen Möglichkeiten“. Dieses Jahr wird Rettergut noch mit zehn weiteren Produkten vor allem die Produktkategorien Suppen und Aufstriche ausbauen und zwei bis drei neue Kategorien implementieren.

Rettergut plant den Ausbau der Produktkategorien Suppen und Aufstriche.
Foto: Rettergut

Haupt-Artikelbild (oben): Felix Zahn/photothek.net

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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