Urban Farming Pilze – ein verkappter Genuss

Austernpilze, Limonen- oder Kräuterseitlinge, die Welt der Pilze jenseits von Champignons ist vielfältig und praktisch überall anbaubar. Lebensmittelmagazin.de überzeugt sich davon beim Berliner Start-up Tupu.

Auf Maori bedeutet Tupu „wachsen“ und auf Suaheli „Leere“. In Bezug auf die Gourmetpilze des Start-ups Tupu trifft beides zu, denn es braucht lediglich ein wenig Platz und noch nicht mal Licht. Hannah Balshuesemann ist unter anderem zuständig fürs Marketing bei Tupu. „Biologisch gesehen, sind Pilze näher am Menschen dran, als an Pflanzen. Zwar machen sie keine Fotosynthese, dafür können sie aber mit Sonnenlicht Vitamin D generieren.“

Der Start-up begann im November 2021 bei Corona-bedingtem Leerstand und mietete eine Arbeitsfläche in Spandau an. In Deutschland wird zwar am liebsten der klassische Champignon konsumiert, „aber die Nachfrage nach alternativen Pilzen wie Kräuterseitlingen wächst jährlich um immerhin 12 Prozent. Diese werden in vielen Fällen aber nach wie vor aus Asien importiert. Interessanterweise entdecken die Asiaten dafür gerade unseren Champignon in ungefähr gleichem Maße“, erläutert Balshuesemann.

Genügsam

Ziel von Tupu ist es, als B2B-Unternehmen die Berliner Gastronomie, wie beispielsweise das Sternerestaurant Horváth, das Brauhaus BRLO, Donau 101 und einzelne Biomärkte auf dem kurzen Lieferweg zu versorgen. „Für die Expansion würden wir zur Belieferung anderer Städte auch direkt dort vor Ort Anbaufläche nutzen”, meint Hannah Balshuesemann. Hier in der obersten Etage des Werksgebäudes hat das Unternehmen mit 20 Tupu-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern eine Fläche für ihre Pilzzucht angemietet. In drei dafür eingerichteten Klimakammern können, individuell für die jeweiligen Pilzsorten, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit optimal kontrolliert und eingestellt werden. Auf Rollwagen wachsen die Pilze auf Substrat. Es gibt bis zu acht Lagen übereinander.

Je nach Sorte dauert ein Pilzzyklus sieben bis 20 Tage. Das Substrat wird regional in der EU hergestellt. Grundlage hierfür ist eine Mischung aus gehäckselter Birke und Eiche, die dafür eigens angebaut wurden, sowie Stroh. Tierdung, wie man es beispielsweise für Kulturchampignons kennt, eignen sich nicht, da die Pilze von Tupu als vegan ausgelobt sind. Um die Transportkilometer zu reduzieren, plant das Unternehmen bereits, mit hiesigen alternativen Ressourcen zu arbeiten, beispielsweise Biertreber.

Leckere Alternative

Im großen Vorraum, wo die Pilze geerntet und verpackt werden, duftet es intensiv waldig. Taylor Davis ist hier Head of Cultivation. Nicht nur das einzigartige Pilzaroma, der intensive Umami-Geschmack und die fleischähnliche Textur, sondern auch ihr Nährstoffgehalt machen Pilze laut Davis zur interessanten Proteinquellen-Alternative. Sie liefern durchschnittlich 3,3 Gramm Eiweiß auf 100 Gramm Pilze, womit sie über den meisten Gemüsesorten liegen. Und die CO2-Bilanz liegt mit 0,7 Kilogramm CO2 auf das Kilogramm Pilze 85 Mal niedriger als beispielsweise Rindfleisch. Neben Mineralstoffen und vielfältigen B-Vitaminen enthalten sie auch wichtige Antioxidantien, zum Beispiel Glutothione und Ergothionine, die man ausschließlich in Pilzen findet

Damit man diese optimal aufnehmen kann, sollte man die Pilze nicht roh verzehren, da ihre Zellmembranen sehr undurchlässig sind. Stattdessen empfiehlt der Pilzexperte die geschnittenen Pilze 10 bis 15 Minuten in der trockenen Pfanne zu erhitzen und erst kurz vorm Ende Fett in Form von Pflanzenöl oder Butter hinzuzugeben, um sie zu bräunen. Bis dahin regt er an, die Pilze locker in Papier eingeschlagen im Kühlschrank zu lagern. Wie lange die Pilze halten, könne man pauschal nicht sagen, das sei sortenabhängig, in etwa zwischen sieben bis 20 Tagen. Ein wichtiger Hinweis, um Lebensmittelverschwendung zu vermeiden: Wenn Pilze anfangen weiße Stellen auszubilden, ist das keineswegs Schimmel, sondern einfach neu austreibendes Myzel. Schimmeln können Pilze dennoch, aber da sind die Farbvarianten tatsächlich mannigfaltig.

Abgesehen davon, dass Pilze lecker und gesund sind, können sie eventuell auch von Interesse für die Medizin sein. Der Pom-pom, auch Löwenmähne genannt, könnte möglicherweise in der Alzheimertherapie zum Einsatz kommen. Auch dem Shiitake wird nachgesagt, dass er einen positiven Einfluss auf das Immunsystem haben könnte.

Mykorrhiza und Destruenten

Eine Frage bleibt: Während Pilze wie Champignons, Austernpilze etc. sich problemlos züchten lassen, wie man bei Tupu sieht, sucht man bisher vergeblich nach gezüchteten Trüffeln, Steinpilzen oder Pfifferlingen. Taylor Davis erklärt dazu: „Die meisten Zuchtpilze sind Destruenten, das heißt, sie zersetzen Holz oder ähnliches organisches Material. Steinpilze und Co. sind sogenannte Mykorrhiza-Pilze, die in einer Symbiose mit bestimmten Pflanzen leben, weswegen man sie in der freien Natur unter bestimmten Bäumen findet. Es gibt allerdings Versuche, auch hierfür Zuchtbedingungen zu schaffen, aber das ist noch Zukunftsmusik.“

Es gibt noch einen großen Unterschied zwischen den Zucht- und Wildpilzen: Während bei Waldpilzen in der Saison die Verzehrsempfehlung bei maximal zwei Portionen die Woche liegt, beispielsweise aufgrund einer möglichen Schwermetallbelastung, kann man die Zuchtpilze rund ums Jahr bedenkenlos nach Gusto verzehren. Wer noch eine Alternative zum Pilzomelette oder zur Pasta al Funghi sucht, hier ein schönes Rezept von Tupu:

Sweet and Sticky Shiitake

Zutaten für 2 Personen

400 g Shiitake

2 Esslöffel Pflanzenöl

1 Esslöffel Sesamöl

1 Knoblauchzehe

3 Esslöffel brauner Zucker

50 ml Tamari oder Sojasauce

2 Esslöffel Reisweinessig

2 Teelöffel Chilisauce (optional)

1 Teelöffel Speisestärke mit 1 Esslöffel Wasser vermischt

Schritt 1

Schneide die Shiitakes in Scheiben und brate sie in etwas Pflanzenöl bei mittlerer Hitze an, bis sie die gesamte Feuchtigkeit abgegeben haben und anfangen, braun zu werden, etwa 5-7 Minuten. Dann aus der Pfanne nehmen und beiseitestellen.

Schritt 2

Danach die Sojasauce, das Sesamöl, den Reisessig, die Chilisauce, die Maisstärkemischung und den braunen Zucker in die Pfanne geben und unter ständigem Rühren kochen lassen, bis die Sauce ein wenig eingedickt ist, etwa 2 Minuten.

Schritt 3

Gib die Pilze zurück in die Pfanne und lasse sie eine weitere Minute kochen. Wir servieren die Shiitakes gerne mit Reis und Frühlingszwiebeln.

Artikel-Teaserbild (oben): Vera Kuttelvaserova – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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