Mit Genuss für die Umwelt – Trüffel vs. Barolo

Zu den luxuriösesten Lebensmitteln, die aus einem Mahl ein Festmahl machen, gehört der Trüffel. Lebensmittelmagazin.de bringt aus dem italienischen Alba, dem Trüffel-Mekka, eine schöne Geschichte jenseits von Hedonismus und Dekadenz mit.

Ob beim Edelitaliener oder beim Tête-a-tête zu Hause, nur wenige Züge mit der Mandoline über einem Teller mit Pasta und der Trüffelduft betört mit einem Kosmos an Aromen, der vor allem erotischer Natur ist. Professionell formuliert umfasst das Trüffelbouquet einen Aromenkomplex von ca. 120 Faktoren, wie z.B. Honig, Haselnuss, aber auch Knoblauch. So (preis-)intensiv das Vergnügen ist, umso überraschender die Information, dass Trüffel einen wertvollen Beitrag zum Umweltschutz bieten, aber dazu später mehr.

„Sehr viel berechne ich für alles, das schwarz ist: Trauben, Oliven, schwarze Johannisbeeren. Offenbar lassen sich die Leute immer wieder gerne an den Tod erinnern. Schwarze Sachen essen ist, als würde man den Tod verzehren […] schwarze Trüffel sind das teuerste… und Kaviar. Tod und Geburt. Das Ende und der Anfang.“

Zitat aus dem Film „Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber“ von Peter Greenway, 1989

Der die Trüffel hört

Kaum öffnet Trüffeljäger Michele den Kofferraum seines Land Rovers, springen die beiden drei- und fünfjährigen Mischlingshunde Lady und Macchia heraus und pesen durch das Unterholz des Waldstücks mit seinen vor 20 Jahren eigens dafür angepflanzten Bäumen. „Es gibt per se keine bestimmte Hunderasse, die sich besonders gut für die Trüffelsuche eignet. Das liegt eher in der individuellen Natur der Hunde. Die Mutter der beiden war Drogenhund am Mailänder Flughafen. Außerdem steckt die Rasse Pointer mit drin, die hören besonders gut“, erklärt Michele, der aktuell zehn Trüffelhunde ausbildet; 150 sind es bis jetzt in seiner gesamten Karriere. Für die Hunde ist es Sport und Spiel, für Michele ist es nicht nur Hobby, sondern auch Nebenerwerb zur Rente. Er gilt als einer der Erfahrensten der insgesamt 300 Trüffeljäger, die für die Firma Tartuflanghe arbeiten. Trüffeljäger heißt übrigens im hiesigen Dialekt Trifulau. Das Führen der Hunde bei der Trüffelsuche ist gesetzlich vorgeschrieben. Denn nur der reife Pilz sondert unter der Erde einen Duft ab, den die Hunde wahrnehmen. Ob ein Trüffel reif ist oder nicht, lässt sich sonst nicht erkennen, denn dies ist unabhängig von Größe und Form. Für die weitere Ausbreitung sorgen dann kleine Tiere wie Mäuschen und Schnecken.

Trüffel sucht man am besten wenn es tags zuvor geregnet hat oder Nachtnebel herrschte. Heute Morgen hatte es leicht genieselt, Glück gehabt! Nach nur wenigen Minuten haben die Hunde Witterung aufgenommen und stürmen zielgenau in eine Richtung. Michele läuft hinterher und klopft an bestimmten Stellen den Waldboden mit dem Knauf seines Spazierstocks ab. Dann zeigt er den Hunden die erwählte Stelle und sie müssen gar nicht tief buddeln, da hält der Trüffeljäger schon die erste Ausbeute in der Hand. „Die Hunde riechen die Trüffel auf zehn bis 15 Meter“, erklärt der Trüffeljäger. Er selber hört dann den Pilz. Mit seinem Stock demonstriert er das dumpfe Geräusch des Waldbodens an einer Stelle. Zum Vergleich klopft er einen halben Meter weiter auf eine andere Stelle – klingt anders „dumpf“. An der ersten Stelle sei eine Wurzel, behauptet er. Dann klopft er auf eine dritte Stelle, die seiner Meinung nach nochmal anders dumpf klingt. Hier sei der Trüffel drunter, spricht er und lockert den Boden mit einer kurzen Hacke mit langem Blatt auf. Die Hunde buddeln mit. Ein paar Zentimeter und tatsächlich – es kommt ein Trüffel zum Vorschein und zwar nicht der einzige in dieser Stunde.

Trüffeljäger Michele und Hündin Macchia graben im Boden nach Trüffeln.
Trüffeljäger Michele und Hündin Macchia bei der Arbeit.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Tradiert von Generation zu Generation

Was nach außen hin zugegebenermaßen nicht nachvollziehbar und mehr wie Hokuspokus wirkt, beruht auf Erfahrungswerten, welche die Trifulau bereits als Kinder von ihren Vätern und Großvätern erlernen. Längst sind es aber nicht nur die Männer, beim Nachwuchs gibt es mittlerweile auch Mädchen, die das traditionsreiche Wissen erlernen.

Der Sommertrüffel kommt laut Michele recht häufig vor, pro Tag können da rund ein Kilo zusammenkommen, während man sich im Winter besonders beim weißen Trüffel über jeden einzelnen freut, der auch mal bei einem halben Meter Tiefe hörbar ist. Die sehr kleinen Sommertrüffel muss er übrigens nicht dem Unternehmen verkaufen, sondern diese dürfen in seinem Abendessen landen. Wie er die Trüffel bevorzugt isst? „Am liebsten mit Ei“, lautet die Antwort.

Saison der Sommertrüffel

Etwa zwei Stunden fährt man von Milano aus gen Südost, dann erreicht man das Unternehmen Tartuflanghe in Pio esi d’Alba in der Region Langhe. Die Saison für den Sommertrüffel hat dieses Jahr schon im April begonnen. „Er ist milder als der Wintertrüffel. Am besten lässt man Butter in einer Sauteuse zergehen und schwenkt dann Trüffel darin, um noch mehr Geschmack herauszukitzeln, und genießt es auf einem Teller Tagliolini“, empfiehlt Veronica Giraudo, die zusammen mit ihrem Ehemann Paolo Montanaro und ihrer Schwägerin Stefania Montanaro das Familienunternehmen leitet. In dessen Geschäft liegen in ausgeschlagenen Körben nach Qualität und Größe sortiert die Sommertrüffel. Der Raum ist gefüllt mit dem einzigartigen, intensiven Duft. In den Regalen findet man Öle mit Sommer- wie Wintertrüffeln, Salzen und als besondere Spezialität des Hauses die hier hergestellte Trüffelpasta. Diese wurde 1992 beim Festival in New York prämiert und hat seitdem ihre eigenen internationalen Fans. Seit wenigen Jahren gibt es hier im Haus auch Schokoladentrüffel – mit echtem Trüffel im Schokotrüffel.

Trüffelpasta vom italienischen Unternehmen Tartuflanghe
Die Spezialität des italienischen Unternehmens Tartuflanghe: Trüffelpasta
Foto: Tartuflanghe

Augen auf beim Trüffelkauf!

Über der Theke hängt eine Tafel, auf der die einzelnen Trüffel beschrieben werden. Neben dem Sommertrüffel sind der schwarze und der besonders kostbare weiße Wintertrüffel von kulinarischem Interesse. Eine Verkäuferin gibt eine interessante Information: „Im Frühling passen Sie bitte bei weißen Trüffeln auf, das sind dann oftmals Bianchetto-Trüffel, die im Inneren weiß marmoriert sind. Sie können stechende Fehlnoten haben.“ Weil er so häufig vorkommt ist er deutlich günstiger als der weiße Wintertrüffel, der in der Saison täglich wechselnde Preise zwischen 2.000 und 7.000 Euro das Kilogramm hat.

Trüffel findet man weltweit überall. Hauptexporteur vom schwarzen Wintertrüffel ist beispielsweise Spanien. Was aber ist das besondere und exklusive an den Albatrüffeln? „Zuallererst ist das eine Frage des Terroirs“, erklärt Veronica Giraudo. „Die hiesige Erde ist relativ jung, das Meer hat seine Mineralien im Boden gelassen. Hinzu kommt die Biodiversität der Wälder. Die Bäume haben erheblichen Einfluss auf die Trüffel. Eichen sorgen beispielsweise für einen intensiven Geschmack und Linden geben den Trüffeln dafür eine honigartige Süße. Spannend sind auch Trauerweiden, deren Wurzeln beim Trüffel für rote Flecken sorgen, was aber kein qualitativer Nachteil ist.“ Weil Trüffel kaum kultiviert oder gezüchtet werden können, entfällt die Möglichkeit einer geschützten geografischen Angabe, wie sie beispielsweise der ebenfalls hier beheimatete Barolo-Wein hat. „Aber ebenso wie Wein von der Barolo-Rebsorte Nebbiolo woanders auch anders schmeckt, ist es mit den Trüffeln. Weiter südlich ist beispielsweise die Knoblauchnote wesentlich stärker ausgeprägt“, erklärt die Produzentin. „Bis vor ein paar Jahrzehnten wurden die Trüffel gänzlich wild gesammelt und die entsprechenden Stellen waren aufgrund von Erfahrung bekannt.“

Mit wissenschaftlicher Hilfe

Seit einigen Jahren arbeitet die Firma mit der Universität Padua zusammen, die sich wissenschaftlich mit dem Trüffel auseinandersetzt; also welche Bodenbedingungen vorherrschen müssen, welche Bäume Symbiosen mit den Pilzen eingeben und welche nicht. „Kirsche und Walnuss behindern beispielsweise den Trüffel“, weiß Veronica. Nicht zu vergessen ist die Bedeutung dieser Trüffelwälder mit ihrer Fotosynthese zur Kompensation der CO2-Bilanz, was sich ebenfalls wissenschaftlich berechnen lässt. Überreife Trüffel, die sich nicht mehr für den Verkauf oder für die Verarbeitung eignen, sowie das sporenreiche Reinigungswasser von der Verarbeitung kommen zurück in die Wälder, um den Boden mit den Pilzen zu impfen.

Baumsorten unter denen die Wahrscheinlichkeit Trüffel zu finden, höher ist.
Nicht unter jedem Baum sind Trüffel zu finden. Wer sie sucht, sollte nach bestimmten Arten Ausschau halten.
Foto: Tartuflanghe

Trüffel vs. Barolo?

Viele Wälder mussten im Laufe der Jahre den Barolo-Weinhängen weichen. Der exklusive Rotwein ist hier in der Region Langhe Hauptanbauprodukt. Auch Haselnüsse werden seit kurzem vermehrt angepflanzt. Die Trüffelunternehmerin macht auf ein Problem aufmerksam: „Egal wo man sich hier umschaut findet man Weinberge. Solche Monokulturen sind aber sehr anfällig für Krankheiten. Den hiesigen Trauben machen solche, die durch bestimmte Insekten übertragen werden, besonders zu schaffen. Die Biodiversität der Trüffelwälder hingegen bietet Heimat für Insektenvielfalt und schafft dadurch eine ökologische Balance. Dies haben inzwischen auch viele Barolo-Weinbauern erkannt, die ihrerseits Maßnahmen zur Biodiversität schaffen wollen.“

Barolo-Wein und Trüffel, beide mögen dieselbe Bodenmischung aus Sand und Ton. Während der Wein aber die Sonne liebt und die Nährstoffe aus dem Boden zieht, benötigt der Trüffel eher die Feuchtigkeit. Durch die Symbiose nimmt der Pilz nicht nur Nährstoffe auf, sondern gibt auch welche an die Bäume zurück. „Gute Barolo-Jahre sind schlechte Trüffeljahre und umgekehrt. Dabei ist die Konkurrenz gar nicht so groß, der Barolo-Wein benötigt südliche Hanghöhenlagen, während die Trüffel eine nördliche Ausrichtung in Flussnähe bevorzugen. Das Gute ist, dass Trüffelsporen Trockenheit gut vertragen. Selbst nach zwei, drei trockenen Jahren sind sie resilient genug, um dann auskeimen zu können.“

Wer in der Region Langhe unterwegs ist, kommt um ein Glas Barolo nicht herum.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Trockenheit und Klimawandel

Veronica erklärt: „Grundsätzlich sind die Erträge stabil, auch wenn wir feststellen können, dass beispielsweise seit den 80er Jahren weitaus weniger Trüffel zu finden sind. Größte Herausforderung bleibt die Tatsache, dass der Herbst und damit die Wintertrüffelsaison kürzer geworden sind. Offizieller Beginn der Saison ist der 21. September, da ist es oft noch so warm wie im Sommer. Dieses Jahr haben wir Glück, auf den Bergen gab es viel Schnee und die letzten zehn Tage beispielsweise waren sehr feucht. Außerdem können wir hier immerhin was machen, wir kaufen Waldgrundstücke und bewirtschaften und bepflanzen diese nach offizieller Genehmigung zu Trüffelwäldern.“In diesen Wäldern werden auch zukünftig Trifulau mit ihren Hunden die Trüffel hören und riechen. Dazu meint die Trüffelproduzentin: „Ist das nicht der eigentliche Zauber – die Beziehung zwischen Trüffeljäger und Hund?“

Kulturgut Wein

Ein paar Kilometer entfernt findet man in der Altstadt von Barolo das WiMu Museo del Vino a Barolo im Castello Comunale Falletti. Vom Dach aus hat man eine wunderschöne Sicht über die Region Langhe, deren omnipräsente Weinhänge zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Das Museum im Schloss selber gibt weniger kulturhistorische oder önologische Einsichten, feiert dafür aber auf sehr künstlerische Art die Weinkultur und dessen Bedeutung für die Menschen. Ein Besuch ist es allemal wert. 

Vom Dach des Barolo-Museums sieht man die vielen Weinhänge der Region Langhe.
Foto: Johannes S. – lebensmittelmagazin.de

Artikel-Teaserbild (oben): Maurizio Milanesio – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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