Stillleben mit Herbst-Lebensmitteln

Jenseits von Foodporn, Fame & Followern: Aus dem Leben einer Food-Kreativen

Essen ist neben Mode, Reisen und Fitness eines der Top-Themen in den sozialen Medien. Wir haben mit einer Food-Influencerin und -Künstlerin über ihre Arbeit gesprochen.

Selbstverständlich haben Lebensmittel ihren Platz in den Sozialen Medien. Besonders Instagram mit seinen oftmals verlockenden Bildern ist Heimstätte für Foodporn, appetitanregenden Bildern von Essen. Unter #food finden sich rund 417 Millionen Bilder, unter den Top-Bildern findet man ofenfrische, krosse Pizza, überbordende Tacos, saftige Burger, aber auch mit kunterbunten Früchten dekorierte Porridgebowls, teils sogar mit Rezepten, Diätempfehlungen und Hinweisen auf Blogs für mehr.

Micro und How-to

20 Prozent der Deutschen über 14 Jahren nutzen Instagram mindestens einmal die Woche, so die aktuelle repräsentative ARD/ZDF-Onlinestudie. Das sind 14,5 Millionen bundesdeutsche User. In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen sind es 65 Prozent. Die Studie „State of influencer Marketing in Germany 2020″ von Hypeauditor hat 140.000 deutsche Influencer:Innen untersucht, kategorisiert, sowohl thematisch als auch nach Reichweite. Demnach wird der deutschen Markt zu 43 Prozent von Microinfluencer:innen (mit einer Reichweite von 5.000 bis 20.000 Follower:innen) dominiert, gefolgt von Nanoinfluencer:innen bis 5.000 Follower:innen. Influencer:Innen mit einer potenziellen Reichweite von 100.000 bis zu 1.000.000 Follower:innen machen lediglich 3,5 Prozent aus, solche mit größerer Anzahl an Abonnements nur 0,16 Prozent. Die deutsche Königin der Influencer:Innen ist Bianca Claßen (geb. Heinicke) aka. „Bibisbeautypalace“ mit 5,7 Millionen Abonnent:innen. Lebensmittel fallen in der Kategorisierung unter How to & Style, was rund ein Viertel des Themenspektrums ausmacht, genauere Differenzierungen zwischen Fashion, Hobbys und Essen wären spannend.

Was macht eine Food-Influencerin? Wie sieht das Leben in dieser Welt aus? Nina Olsson ist die Autorin und Fotografin hinter dem niederländischen Account @nourish_atelier.

Lebensmittel statt Mode

Nina Olsson als Foodbloggerin und Influencerin zu bezeichnen, ist vielleicht zu kurz gefasst. Für sie als „Lebensmittel-Kreative“ sind Social Media und Foodblog nur ein Aspekt ihrer Arbeitswelt. Als Absolventin der Kunsthochschule und Designerschule in Großbritannien arbeitete sie zunächst für Modemagazine. Sie merkte aber schnell, dass sie sich mehr zu Lebensmitteln hingezogen fühlte: „Essen ist so viel herzlicher und lebensbejahender. Und schafft es, Hürden zu überwinden und Fremde an einem Tisch zusammen zu bringen.“

Der nächste Schritt für sie war vor über 10 Jahren unter anderem die Arbeit als Creative Director für Skandinaviens größtes Lebensmittelmagazin Buffé.

„Essen schafft es Hürden zu überwinden und Fremde an einem Tisch zusammen zu bringen.“

Nina Olsson, Food-Fotografin, -Influencerin und Autorin
Food-Kreative Nina Olsson bei der Arbeit
Food-Kreative Nina Olsson bei der Arbeit.
Foto: Matty van Wijnbergen.

Jenseits von Instagram

Olsson selbst interessiert sich für traditionelles Essen und die Geschichte von Lebensmitteln. „Natürlich sind die Menschen interessiert an Neuartigem. Ich sehe meine Aufgabe darin, Menschen zu inspirieren und im Rahmen von vegetarisch/veganer Fusion-Küche Lebensmittel und Geschmacksrichtungen neu  zu kombinieren, wie beispielsweise salzige Algen im Dessert. Andererseits ist es spannend, Menschen fremde Küchen näherzubringen. Indonesisch ist in den Niederlanden gängig, aber gerade in London etwas vollkommen Neues“, berichtet Lena Olsson.

Gerichte aus Nina Olssons Veggie-Kochbuch "Feasts of Veg"
Verschiedene Gerichte aus Nina Olssons Veggie-Kochbuch „Feasts of Veg“.
Foto: Nina Olsson.

Für ihre internationalen Kunden entwickelt sie neue Rezepte, bestellt die Zutaten, bereitet die Gerichte für das Tasting vor und führt die Fotoshoots durch – voller  Zeitplan. Nebenbei pflegt sie ihren vegetarischen Foodblog Nourishatelier.com mit eigenen Rezepten und Foodfotografie auf den Social-Media-Kanälen wie Instagram mit über 127.000 Follower:innen.

Geld oder Glaubwürdigkeit?

In diesem Kontext arbeitet sie auch als Food-Influencerin: „Ich mache Kollaboration nur mit Unternehmen, für die ich sowieso arbeite und dahinter stehe, bei denen ich den Fokus auf Nachhaltigkeit und Gesundheit sehe. Viele Food-Influencer:innen fühlen sich bei Anfragen von Unternehmen geehrt und posten für wenig Geld oder sogar kostenlos Produktplatzierungen. Mein erfolgreicher Social-Media-Auftritt beruht unter anderem auf Integrität. Das bedeutet zum einen eine größere Exklusivität, aber auch zum anderen einen größeren Spielraum für Kreativität, in welchem Rahmen die Produkte präsentiert werden.“

Ein größerer Erfrischungsgetränke-Hersteller bot ihr eine Kollaboration an, obwohl die Produkte gegen ihre Überzeugung standen. Ohne konkrete Summe war klar, dass es um ein höheres Budget ginge. „Die Entscheidung wurde mir abgenommen, da ich bereits einen Vertrag mit einem anderen Getränkehersteller unterzeichnet hatte, der vorschrieb, in diesem Zeitraum keine Zusammenarbeit mit konkurrierenden Unternehmen einzugehen.“ Von einer Kollegin habe sie erfahren, dass es um mehr als 10.000 Euro ging.

Vier Kochbücher hat Nina Olsson inzwischen veröffentlicht, darunter das vegetarische Bowl-Kochbuch "Grains + Greens".
Vier Kochbücher hat Nina Olsson inzwischen veröffentlicht, darunter das vegetarische Bowl-Kochbuch „Grains + Greens“.

„Wenn ich aber an meinen Kochbüchern arbeite, gehe ich keine Kollaboration ein“, sagt die Kochbuchautorin.

Analog, zwischen Buchdeckeln

Bereits vier Kochbücher sind von ihr erschienen, für die zeitweilig ihre volle Aufmerksamkeit gilt. Auf Deutsch gibt es von ihr Vegetarische Bowls, Rezepte mit unterschiedlichem Hintergrund: Da treffen im Rahmen der jeweiligen Mahlzeiten traditionelle Gerichte, wie schwedischer Kartoffelsalat und levantinische Taboulé, auf ungewöhnliche Neukreationen wie Poké mit marinierter Wassermelone statt Thunfisch oder der wirklich empfehlenswerten fischfreien Bouillabaisse zusammen. Ihnen allen gemein ist die Tatsache, dass sie vegetarisch/vegan sind und in einer Schüssel serviert werden und größtenteils sehr, sehr aufwändig sind.

Farbenfrohe Acaii-Bowl.
Farbenfrohe Acaii-Bowl.
Foto: Nina Olsson.

Woher nimmt sie selbst die Inspiration? „Durch meinen Beruf reise und erlebe ich sehr viel und habe im Laufe der vielen Jahre ein Auge und Gespür für neue Gerichte und Vertrauen in den eigenen Geschmack entwickelt. Natürlich lese ich berufsbedingt auch wesentlich mehr Zeitschriften und Kochbücher.“ So ist sie davon überzeugt, dass der Trend hin zu klimafreundlichen Lebensmitteln geht: „Früher haben die Menschen auf Kalorien und Nährstoffe geachtet, jetzt werden Nachweise wie der CO2-Abdruck immer wichtiger.“

Vegetarische Bällchen
Köttbullar sind ein schwedisches Traditionsessen, hier vegetarisch umgesetzt.
Foto: Nina Olsson.

Kreative Entwickler:innen neuartiger Lebensmittel

 Worüber sie sich ebenfalls freut, ist der Zuwachs an Unternehmen im Novel-Food-Bereich: „Es gibt so viele tolle kreative Menschen, die aktiv daran arbeiten, neuartige Lebensmittel zu entwickeln.“ So sieht sie ein großes Potenzial und eine Vielfalt an Möglichkeiten bei algenbasierten Lebensmitteln.

Artikel-Hauptbild (oben): Nourish Atelier/Nina Olsson.

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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