süßer Senf in einer Schüssel

Alles andere als scharf – süßer Senf

Während Senf manchen vor Schärfe die Tränen in die Augen treibt, mögen es die Senffans im Süden der Republik eher süßlich-pikant – eine Geschmackskombi mit jahrtausendealten Wurzeln. Lebensmittelmagazin.de gibt seinen Senf dazu.

Den Senfanbau kann man durch archäologische Ausgrabungen bis ins Jahr 1800 v. Chr. ins Hindustal, dem heutigen Indien, zurückverfolgen. Auch unter Grabbeigaben von Tutanchamun, der von 1332 bis 1323 v. Chr. als Pharao in der 18. Dynastie regierte, befand sich Senf mit Honig. Im alten Ägypten dienten beide Lebensmittel allerdings nicht nur in der Küche als Speisen, sondern auch in der Medizin als Heilmittel: Honig wurde als Antiseptikum eingesetzt, Senf fand Verwendung als Brech- und Schmerzmittel.

Passt auch zum Kranich – Senf in der Antike

Ein Rezept mit süßem Senf, also der Kombination Senf mit Honig, findet man im „De Re Coquinaria“ des römischen Feldherren Marcus Gavius Apicius aus dem 3. bis 4. Jahrhundert n.  Chr. Beispielsweise beim Rezept für Strauß, der zusammen mit Pfeffer, Liebstöckel, Thymian oder Bohnenkraut, Essig, Lake, Öl sowie Senf und Honig gegart werden soll. Interessant klingt auch die Soße für gekochten Kranich und Ente, bei der Pfeffer, Liebstöckel, Majoran, Kümmel, Koriander, getrocknete Minze, Pinienkerne und Gewürznelken mit Salzlake, Öl, Wein, Honig und Senf vermischt werden soll.

Aus der Epoche der Araber in Spanien wurde der Senf aus der Antike in die Neuzeit übernommen. Damit gehörte der Senf neben Ingwer, Meerrettich und Pfeffer zu den wenigen Scharfmachern im klösterlichen Mittelalter. Auch hier stand die Verwendung als Heilmittel durchaus im Vordergrund.

Senf und Wurst aus einem Haus

Beim Weißwurst-Besuch in der Münchener Metzgerei Gaßner stellte sich heraus, dass Andreas Gaßner als einziger Metzger in der Stadt seinen eigenen Weißwurst-Senf macht. Einmal im Monat setzt er zunächst einen Sud aus Wasser, Essig, gelben Rüben, Lauch und Sellerie an. Dieser landet zusammen mit gelbem und braunen Senfmehl sowie braunem Farinzucker im Cutter zum Durchmengen. Die Mischung landet in dem Bottich, in dem sonst die Würste gebrüht werden.

Über eine Stunde fährt der Metzger oder seine Mitarbeiter:innen mit Hockeyschläger-ähnlichen Glüheisen durch den Senf, damit der Zucker durch den heißen Kontakt karamellisiert. „Alle paar Minuten kommen die Eisen wieder raus, müssen gereinigt und neu erhitzt werden, bevor sie wieder zum Einsatz kommen“, erklärt Metzger. Der Weißwurstsenf der Metzgerei Gaßner ist eine regionale Spezialität, die man außerhalb des Geschäfts nur selten im Einzelhandel erhält.

Liebe auf den ersten Biss

Im Biergarten und den zahlreichen Bayerischen Restaurants, nicht zuletzt auch in den Supermärkten der gesamten Bundesrepublik findet man hingegen meist nur den süßen Senf von Händlmeier und Develey. Letztere sind ein traditionelles Münchner Unternehmen mit Sitz in Unterhaching. Der Firmen-Urahn gilt als Erfinder des „Weißwurstsenfs“. Carina Wanner ist Leiterin des Marketings national bei Develey Senf & Feinkost GmbH.

Sie beschreibt die Geschichte des süßen Senfs einhergehend mit der Firmenhistorie: „Mit seiner 1845 gegründeten Senffabrik bot Develey zuerst die damals üblichen Senfsorten, den mittelscharfen und den scharfen Senf an. Jedoch arbeitete Johann Conrad Develey an neuen Senfrezepten und mischte so eines Tages im Jahre 1854 auch Essig, verschiedene Gewürze und braunen Farinzucker in sein Rezept. Diese Mischung fand schnell Anklang und wurde fast schlagartig berühmt – der süße Senf war geboren und nur wenige Jahre später folgte die Geburtsstunde der Weißwurst. Seit jeher werden die beiden Produkte miteinander verzehrt, genossen und in Verbindung gebracht. Das liegt nicht zuletzt an der großen Senf-Liebe der Bayern.“

ein Glas Münchner Weißwurst Senf mit Fingerfood
Original Münchner Weißwurst Senf von Develey.
Foto: www.westermann-buroh.de

Tradition und Fortschritt

Längst läuft der Weißwurstsenf unter Folklore und Tradition. Das große Senf-Unternehmen kann aber für sich verbuchen erfolgreich durch Nachhaltigkeit in die Zukunft zu führen, 2019 erhielt das Unternehmen den Nachhaltigkeitspreis. Carina Wanner meint dazu: „Die Philosophie der Inhaberfamilie Durach ist es, das Unternehmen nicht nur wettbewerbs-, sondern vor allem auch vererbungsfähig zu führen.“ Aus diesem Grund verfolgt das Unternehmen eine Strategie, die auf einem klaren Wertekodex basiert: Tradition verbunden mit Innovation und kombiniert mit Qualität und Flexibilität. Diese Haltung spiegelt sich auch im Nachhaltigkeitsmanagement wider, das auf den drei Säulen Regionalität, Mensch und Umwelt beruht. Seit 2008 verfolgt Develey das Ziel der Klimaneutralität mittels Prozess-, Standorts-, Verpackungs- und Rohstoffoptimierung. Zum Ausgleich der bislang unvermeidbaren Emissionen helfen Klimaschutzzertifikate, sodass das Unternehmen jetzt die Auslobung „klimaneutral“ auf dem Etikett führen darf.

Develey bleibt angesichts der Nachricht der kriegsbedingten Rohstoffverknappung von Senf relativ gelassen. Wanner erklärt: „Die Verknappung hat bereits zu zum Teil massiven Preissteigerungen auf der Beschaffungsseite geführt. Zudem sind die gestiegenen Kosten für Energie eine Belastung für die Branche. Wir sind aber weiterhin produktions- und lieferfähig. Die vergangenen Monate waren jedoch teils von überproportionalen Bestellungen unserer Handelskunden, mutmaßlich aufgrund aktueller Nachfragespitzen, geprägt. Die Senfernte läuft derzeit und die Lager können, wenn auch zu weitaus höheren Preisen als bisher, wieder gefüllt werden.“

Süß muss sein

Soweit so gut, nur bei einer Sache ist man nach progressiven Versuch wieder zum Original zurückgekehrt. Mit Blick auf die Reduktions- und Innovationsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erklärt die Marketingleiterin: „Der süße, aber zuckerreduzierte Senf ‚SNF‘ war unsere Antwort auf die hohe Nachfrage nach Lebensmitteln mit weniger Zucker. Wie wir allerdings festgestellt haben, möchten die Verbraucher beim süßen Senf auf nichts verzichten und finden es nicht weiter schlimm, dass in diesem Produkt Zucker enthalten ist. Zudem wird süßer Senf für gewöhnlich nur in Maßen und unregelmäßig konsumiert. Auch wenn wir tolles Feedback zum jungen und modernen Design von ‚SNF‘ erhalten haben, haben wir uns dazu entschieden, den Artikel nicht weiter zu produzieren und verkaufen derzeit die letzten Mengen ab.“

süßer Senf mit Käse auf einem Tablett
Süßer Senf zu Käse schmeckt wunderbar.
Foto: Manon – Lebensmittelmagazin.de

Neben Weißwurst mannigfaltig einsetzbar

Auf die Frage, wozu man noch süßen Senf verwenden könne, antwortet die Senfchefin: „Süßer Senf kann ganz flexibel eingesetzt werden. Ob im Salatdressing, zu Käse oder sogar auf einer Pizza – egal ob als Süßungsmittel oder Geschmacksgeber, süßer Senf geht (fast) immer.“

Dazu passt ein wenig der Hintergrund von „seinen Senf dazugeben“, also, wenn jemand ungefragt seine Meinung kundtut: Senf galt im 18. Jahrhundert noch als eine Kostbarkeit. Dies führte dazu, dass damalige Gastronomen jedem servierten Gericht, ob passend oder nicht, immer einen Klecks Senf beifügten – quasi als Qualitätskennzeichen.

Beitragsbild (oben): HandmadePictures – stock.adobe.com

About Johannes

Johannes schreibt seit 2019 als Reporter für lebensmittelmagazin.de. Seine Themenschwerpunkte sind Lebensmittelhandwerk, Lebensmittelindustrie und Gastronomie und hier besonders Nachhaltigkeit und Trends. Zudem ist er für die Berichte vor Ort zuständig.

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