Shoyu gilt als traditionelle Form der Sojasauce. Markus Shimizu stellt sie her, mitten in Berlin. Wir waren vor Ort.
Genuss hat viele Ausdrucksformen: Soulfood oder abstrakte Molekularküche, komplexe Geschmacksakkorde oder bewusste Schlichtheit. Keine Küche versinnbildlicht diesen Kontrast so gut wie die Japanische. Statt bunten Sushikreationen, widmen wir uns in den nächsten Artikeln den grundlegenden „Zutaten“: Tofu mit Sojasauce auf edlem Geschirr und alles aus der Region. Heute, im ersten Teil geht es um Shoyu, die traditionelle Form der Sojasauce.
Von der dreijährigen Tochter kann man die einfachste Form von Genuss lernen: ein Stück Tofu nehmen, in Sojasauce tauchen. Die Zähne beißen in den gummiartigen Widerstand, die Zunge schmeckt das salzig-komplexe Umami und der Gaumen erlebt die flockige Textur. Für Erwachsene ist das kein Essen so nebenbei, für das Kind ist es das Großartigste überhaupt. Genuss mitten im Hier und Jetzt. Ob man in der genussvollen Selbstversenkung Zen erfährt oder es beim nächsten Besuch im japanischen Restaurant mit dem Wissen noch besser schmeckt, bitte sehr!
Geschmacksgeheimnis grüner Pilz
Grüner Staub steigt auf, Sporen vom Aspergillus oryzae, während Markus Shimizu die Fermente ins Fass mit Salzwasser losklopft. Zwei Tage lagert die Getreide-Soja-Mischung auf den vielen Rahmen in der Brutkammer. „Im Laufe der kommenden zwei Jahre wird der Pilz die Getreidestärke in Zucker, sowie die Fette und Aminosäuren in komplexe, süß-blumige Aromen verwandeln“, erklärt Deutschlands einziger Sojasaucenhersteller und Geschäftsführer von Mimi Ferments.
Wie wird Sojasauce gemacht?
Das Getreide – hier Einkorn, es kann aber auch Hirse oder Buchweizen sein – wird zunächst geröstet und danach geschrotet. Die Sojabohnen werden nach dem Einweichen und Waschen gedämpft. Danach werden beide Zutaten bei der klassischen Sojasauce im Verhältnis eins zu eins gemischt und mit Koji, wie der Pilz auf Japanisch heißt, geimpft und zwei Tage lang bei dreißig Grad Celsius gehalten. Die Masse auf den Rahmen wird zwischendurch immer wieder gemischt, damit der Pilz alles gut durchdringt. Dabei entsteht Eigenwärme. Wenn im Sommer die Temperaturen ansteigen ist die Sojasaucenherstellung nicht möglich, für vier bis fünf Monate.
Von grün zu schwarz
Zunächst wird der Inhalt des Fasses jeden Tag durchgerührt, später einmal die Woche. Markus Shimizu öffnet ein junges Fass. Der Duft ist zart würzig mit grünen Noten. Mit einem riesigen Stampfer rührt er den Inhalt um, der optisch bestenfalls an Erbsensuppe erinnert. Das Fass daneben ist von 2018, der Geruch wesentlich intensiver, fast malzig. Vor allem ist die Flüssigkeit pechschwarz. „Die Farbe kommt durch die Fermentation. Im Laufe der Zeit bilden die Aminosäuren Pigmente, außerdem kommt noch die Oxidation dazu“, erklärt Shimizu. Ist der Zeitpunkt der Reife gekommen, presst der Fermenteur sie zunächst durch eine hydraulische Presse, bevor die würzige Flüssigkeit vom Bodensatz dekantiert wird. Er pasteurisiert nicht, wie die großen Hersteller.
Schwiegermutters Miso
Seit 2018 braut Markus Shimizu Sojasauce in seinem kleinen Geschäft in Moabit. Bis unter die Decke stapeln sich die Fässer, Rotwein-, Rum- oder auch Whiskyfässer. In Japan nimmt man traditionell Fässer aus Sicheltanne. An der Rückwand des Geschäftsraums steht ein Regal von oben bis unten gefüllt mit experimentellen Gläsern, wilde Kombinationen zum Fermentieren. Obwohl Markus Shimizu in Tokio zur Welt kam, gelangte er erst über Umwege zur Sojasauce. Seit 1994 lebt er vegan und setzte sich deswegen in diesem Zusammenhang mit Fermentierung auseinander. „Es war allerdings meine Schwiegermutter, die mich mit ihrem selbstgemachten Miso 2011 zur Sojasaucenproduktion brachte“, erzählt Markus Shimizu. Miso und Shoyu, japanische Sojasauce, werden beide mit Aspergillus oryzae fermentiert.
Dunkel, hell, weiß: Shoyu & Tamari
Um helle Sojasauce zu erhalten wird dem Ferment Amazake, süßlicher Kojireis, beigesetzt.
– Wie Sauerkraut mit Fermentation hergestellt wird, liest du hier. –
Nicht zu verwechseln ist diese mit weißer Sojasauce, Shiro Shoyu, die ein Verhältnis von Hirse zu Soja neun zu eins hat. Dann gibt es noch Tamari, das ausschließlich auf fermentierten Sojabohnen basiert. „Nicht nur aufgrund der Farbe, sondern auch geschmacklich, empfehle ich die dunkle Sojasauce zu eher kräftigeren Gerichten und Fleisch und die hellen Sojasaucen beispielsweise zu Sashimi und leichtem Gemüse“, so der Chef von Mimi Ferments. Ob direkt beim Kochen oder erst hinterher zum Würzen habe keinen geschmacklichen Einfluss, allerdings zerstöre das Erhitzen die Aminosäuren und Mineralstoffe.
„Dunkle Sojasauce zu eher kräftigeren Gerichten und Fleisch und die hellen Sojasaucen beispielsweise zu Sashimi und leichtem Gemüse. “
Markus Shimizu, Mimi Ferments
Neugierig auf mehr? Im nächsten Artikel tauchen wir weiter ein ins Thema „Zen – Made in Berlin“: In der Markthalle 9 in Kreuzberg werden aus süddeutschen Sojabohnen Tofu und Burger-Pattys.